Es zeigt sich, dass eine Reihe von Definitionen im Hinblick auf die wirkliche, tatsächliche respektive wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit besteht. Daneben existieren unterschiedliche Anforderungen aus der EuGH-Rechtsprechung. All diese Umstände versucht die Finanzverwaltung nunmehr im BMF-Schrreiben v. 17.3.2021[74] miteinander in einen Kontext zu setzen.
Zweistufige Prüfung des Gegenbeweises: Dazu ordnet das BMF künftig eine zweistufige Prüfung des Gegenbeweises an: So sei
- auf einer ersten Stufe zu prüfen, ob Substanzkriterien erfüllt werden, während
- auf einer zweiten Stufe nunmehr der Principal Purpose Test – entsprechend den Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung in der Rechtssache X-GmbH[75] – relevant wird.
a) Substanztest (= erster Schritt)
Das BMF gelangt zunächst zu dem Ergebnis, dass die Substanzkriterien im Wesentlichen den bisherigen Kriterien aus der EuGH-Rechtsprechung zu Cadbury Schweppes[76] entsprechen.
Der Nachweis[77] soll demnach etwa erfolgen durch
- eine Nutzziehung der Ressourcen im Aufnahmestaat[78],
- eine relevante Geschäftstätigkeit,
- eine aktive, ständige und nachhaltige Teilnahme am Marktgeschehen,
- eine personell und sachlich angemessene Ausstattung zur Wahrnehmung von Kernfunktionen sowie
- ein Treffen der wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen.
Nicht ausreichend soll danach die bloße Anmietung von Büroräumlichkeiten bzw. eine nur geringfügige Wahrnehmung von Funktionen sein.[79]
Weitere Verschärfung für Kapitalanlagegesellschaften: Das BMF sieht in diesem Kontext erneut eine weitere Verschärfung für Kapitalanlagegesellschaften vor.[80] Die Finanzverwaltung verlangt insoweit, dass der Kapitalbeschaffungs- oder Investitionsmarkt einer Kapitalanlagegesellschaft im Aufnahmestaat liegt. Beachten Sie: Diese engere Auffassung ergibt sich jedoch nicht aus der zugrunde liegenden EuGH-Rechtsprechung in Sachen Cadbury Schweppes[81], wonach auch ein alleiniger Einbezug des Beschaffungsmarktes als ausreichend erachtet wird. Dieses enge Verständnis steht dabei auch der h.M. in der Literatur entgegen.[82]
Beraterhinweis Offensichtlich versucht die Finanzverwaltung so, ihre ursprüngliche Auffassung[83] im Kontext der Kapitalanlagegesellschaften wieder zu reaktivieren.
Verwaltung kann nicht gesetzliche Regelung überschreiben: Schließlich gilt es zu konstatieren, dass auch europäische Kapitalanlagegesellschaften von § 8 Abs. 2 AStG geschützt sind, da ein expliziter Verweis in § 8 Abs. 2 AStG auf § 7 Abs. 6 AStG erfolgt – diese gesetzliche Regelung kann nicht durch eine Verwaltungsmeinung überschrieben werden.[84]
Fazit: Der Motivtest ist mithin einheitlich anzuwenden; die restriktive Auffassung der Finanzverwaltung also abzulehnen.
b) Principal Purpose Test (= zweiter Schritt)
In einem zweiten Schritt soll nach Auffassung der Finanzverwaltung[85] nunmehr obligatorisch ein Principal Purpose Test erfolgen.
Von Finanzverwaltung in diesem Zusammenhang geforderter Motivtest ...: Ohne Beschränkung auf Fälle der Kapitalverkehrsfreiheit[86] soll künftig der Nachweis erbracht werden, dass die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft keine rein künstliche Gestaltung darstellt, deren Hauptziel oder eines der Hauptziele darin besteht, durch Tätigkeiten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erzielte Gewinne künstlich in Drittstaaten oder Gebiete mit niedrigem Besteuerungsniveau zu transferieren.
... geht über gesetzliche Anforde...
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