Dr. Dario Arconada Valbuena, Dr. Andreas Nagel
Der BGH hat sich in einem Urteil mit grundlegenden Fragen der anwaltlichen Vergütung befasst (BGH, Urteil v. 12.9.2024, IX ZR 65/23). Er ging darin u. a. auf die Frage ein, ob Stundenhonorare wirksam per AGB vereinbart werden können, und befasste sich sodann mit der Prüfung einzelner AGB-Klauseln. Zudem nahm der BGH Stellung zu den Folgen von unwirksam vereinbarten Vergütungsklauseln. Aus Beratersicht ist das Urteil vor allem deshalb relevant, weil der BGH sich damit dem Urteil des EuGH vom 12.1.2023 (RS C-395/21) zum Teil widersetzt (ausführlich zu dem Urteil des EuGH vgl. Feiter, Honorargestaltung für Steuerberater 03/23). Die vom BGH ausgeführten Grundsätze zu Klauseln in Anwaltsverträgen lassen sich ohne Abweichungen auch auf Steuerberaterverträge übertragen.
In dem zugrunde liegenden Urteil nahm der Kläger (Anwaltssozietät) den Beklagten (Verbraucher-Mandanten) auf Zahlung des Anwaltshonorars in Anspruch. Die Vergütungsvereinbarungen waren vorformuliert und enthielten u. a. Klauseln, in denen eine Verbindung aus Stundensatz und RVG-Gebühren, eine Erhöhung des Stundensatzes abhängig vom Streitwert, eine Auslagenpauschale über 5 % der Nettogebühren, Einigungs- und Befriedungsgebühren sowie Streit- und Anerkennungsklauseln vereinbart waren. Widerklagend forderte der Beklagte die Erstattung bereits entrichteter Gebühren, da die vorstehenden Vergütungsvereinbarungen unwirksam seien.
Kernaussagen des Urteils des EuGH
Der EuGH hat in seinem Urteil vom 12.1.2023 die Anforderungen an die Transparenz von Stundensatzvereinbarungen mit Verbraucher-Mandanten festgelegt. Danach genügen Klauseln über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, nach der sich die Vergütung nach dem Zeitaufwand richtet, dann nicht dem unionsrechtlichen Erfordernis der Klarheit und Verständlichkeit ("Transparenzgebot"), wenn dem Verbraucher vor Vertragsabschluss nicht die Informationen erteilt werden, die ihn in die Lage versetzen, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis der wirtschaftlichen Folgen des Vertragsabschlusses zu treffen.
Der Verbraucher müsse in die Lage versetzt werden, die wirtschaftlichen Folgen des Vertragsabschlusses auf der Grundlage von genauen und nachvollziehbaren Kriterien einschätzen zu können, z. B. durch die Schätzung der voraussichtlichen oder mindestens anfallenden Stunden oder durch regelmäßige Abrechnungen bzw. Informationen über die bereits aufgewandten Arbeitsstunden. Im äußersten Fall könne ein Verstoß zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags führen.
Vereinbarung eines Stundenhonorars per AGB zulässig
Der BGH stellt in seiner Entscheidung zunächst klar, dass Stundenhonorare per AGB grundsätzlich zulässig sind und wirksam vereinbart werden können. Dem stünde auch das Urteil des EuGH v. 12.1.2023 nicht entgegen. Eine Unwirksamkeit der Vereinbarung eines Stundenhonorars ergebe sich nicht bereits dadurch, dass sie durch AGB erfolgt sei. Dies stelle keine unangemessene Benachteiligung dar. Dies gelte – im Gegensatz zu den Anforderungen, die der EuGH in seinem Urteil präzisiert hat – auch dann, wenn vor Vertragsschluss keine Informationen zur absehbaren Gesamtvergütung gegeben werden oder sich der Berater nicht zu Zwischenabrechnungen verpflichte.
Aus Europarechtswidrigkeit folgt nicht zwingend nationale Unwirksamkeit
Zwar sei eine solche Vereinbarung intransparent und damit europarechtswidrig. Dennoch führe dies bei richtlinienkonformer Auslegung des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht dazu, dass diese Vergütungsabrede nach den Vorgaben des nationalen Rechts (§ 307 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 2 BGB) unwirksam wäre. Denn im nationalen Recht bedarf es für die Unwirksamkeit einer Klausel einer Bestimmung, die als "unangemessene Benachteiligung" einzustufen ist. Das Transparenzgebot sei ein möglicher Fall einer unangemessenen Benachteiligung. Dieses wirke nach Auffassung des BGH jedoch nicht wie eine Regelvermutung, wonach eine unangemessene Benachteiligung bei Verletzung des Transparenzgebots stets anzunehmen sei.
Der BGH unterzog die im Streitfall vorformulierten Klauseln einer Inhaltskontrolle und stufte diese durchweg als "unangemessene Benachteiligung" ein. Nach Ansicht des entscheidenden Senats seien folgende – vereinfacht dargestellte – Klauseln deshalb unwirksam:
- Eine Verbindung von Stundenhonorar und RVG-Gebühren
- Eine Klausel, nach welcher sich der vereinbarte Stundensatz abhängig vom Streitwert schrittweise erhöhe
- Eine Auslagenpauschale, die sich prozentual am Stundensatz bemesse und diesen pauschal um 5 % erhöhe
- Eine Klausel, nach der Rechnungen als anerkannt gelten, sofern der Mandant nicht innerhalb von 3 Wochen widerspricht
- Eine Klausel, wonach die Rechtsanwälte bei Streit über das Honorar auf einer anderen Basis abrechnen können
Folgen unwirksam vereinbarter Vergütungsklauseln
Der BGH führt in seinem Urteil aus, dass die Unwirksamkeit einzelner Klauseln zur Unwirksamkeit der Preisabrede im Ganzen führe. Dies folge aus der Gesamtwürdigung der Vergütungsvereinbarung, deren einzelne Klauseln in einem untrenn...