Dr. Dario Arconada Valbuena, Hans-Günther Gilgan
Der 32-seitige Leitfaden "Regeln zur externen Kommunikation" der BStBK zeigt die große Bedeutung des Themas "Werbung bei Freiberuflern". Das bis zum Jahr 1994 existierende Werbeverbot für Steuerberater wurde mit Einführung von Art. 57a StBerG aufgehoben. Seither ist den Steuerberatern eine sachliche und berufsbezogene Informationswerbung grundsätzlich erlaubt.
In den Folgejahren wurde das Werberecht der freien Berufe durch die Rechtsprechung zunehmend liberalisiert, auch die Fachgerichte entschieden öfter zugunsten der Berufsträger. Nach Auffassung des BVerfG ist Werbung nur dann als berufswidrig anzusehen, wenn "das Verhalten für die betroffenen Verkehrskreise den Rückschluss nahelege, dass der mit diesen Mitteln und auf diese Weise werbende nicht die Gewähr dafür biete, aus Rücksicht auf die Steuerrechtspflege und die Interessen seiner Mandanten das persönliche Gewinnstreben hintenanzustellen."
Dies lässt sich auch am Fall eines Rechtsanwalts veranschaulichen, der Steuerbescheide zu einem Festpreis unterhalb der gesetzlichen Gebühren prüfen wollte. In diesem Zusammenhang stellte sich umgehend die Frage nach der Bindung von Rechtsanwälten an die StBVV (vgl. OLG Nürnberg, Urteil v. 11.8.2014, 3 U 954/14). Der Rechtsanwalt warb für die Leistung der Prüfung von Steuerbescheiden unabhängig vom zeitlichen Umfang, den er für die Prüfung benötigte, mit einem Pauschalpreis von 45 EUR inkl. 19 % Umsatzsteuer. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Werbung gegen § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO i. V. m. § 35 RVG und gegen § 18 und § 13 StBVV verstoße. Zudem vollziehe der Rechtsanwalt eine Gebührenunterschreitung. Unbeachtlich sei, dass er seine Werbung auf einen bestimmten Personenkreis (Arbeitnehmer, Rentner, Beamte, Studenten) beschränkte. Denn letztendlich, so argumentierte das Gericht, könne die Anzeige z. B. auch von Unternehmern und Kaufleuten gelesen werden.
Weiterhin führte das OLG aus, dass selbst dann, wenn die Dienstleistung nur für benannten Adressatenkreis ausgeführt worden wäre, auch daraus nicht zweifelsfrei hätte geschlossen werden können, dass die Prüfung derer Steuerbescheide weniger arbeitsaufwendig gewesen sei (z. B. bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung oder umfangreichen Einkünften aus Kapitalvermögen). Der hieraus resultierende Arbeitsaufwand stehe zudem in keinem Verhältnis zu einer Pauschalgebühr von 45 EUR inklusive Umsatzsteuer. Auch habe der Rechtsanwalt eine Pauschalgebühr angeboten, ohne weitergehend zu differenzieren, welchen zeitlichen Umfang die angebotene Leistung umfasse. Hierin sei ein klarer Verstoß gegen § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO zu sehen.
Auch § 34 RVG sei nicht als einschlägig anzusehen, da die Prüfung eines Steuerbescheids nicht als Beratung i. S. d. Vorschrift gilt. Eine vorgreifliche Gebührenvereinbarung komme daher grundsätzlich nicht in Betracht. Der Rechtsanwalt habe zudem nicht mit einer Beratung in sämtlichen Angelegenheiten geworben, sondern eine gezielte Werbung für die Prüfung von Steuerbescheiden durchgeführt.
Rechtliche Öffnungsklausel für steuerliche Tätigkeiten von Rechtsanwälten
In der Vorschrift des § 35 RVG findet sich die rechtliche Öffnungsklausel zur Abrechnung von Tätigkeiten eines Rechtsanwalts im Rahmen bestimmter steuerlicher Tätigkeiten. § 35 RVG verweist an dieser Stelle auf § 28 und § 13 StBVV. Dieser Vorschrift übergeordnet müssen die Regelungsinhalte des § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO beachtet werden.
§ 49b BRAO regelt die Unzulässigkeit, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als das RVG vorsieht, soweit dieses nichts anderes bestimmt. Im Einzelfall darf der Rechtsanwalt bei Vorliegen besonderer Umstände in der Person des Auftraggebers, insbesondere dessen Bedürftigkeit, Rechnung tragen durch Ermäßigung oder Erlass von Gebühren oder Auslagen nach Erledigung des Auftrags. § 35 RVG verweist den Rechtsanwalt hinsichtlich seiner Vergütung auf die für ihn relevanten Gebührentatbestände der StBVV. § 35 RVG kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn der Rechtsanwalt Hilfeleistung im Rahmen der Erfüllung allgemeiner steuerlicher Pflichten und bei der Erfüllung steuerlicher Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten erbringt (Eckert, StBVV, S. 456, 6. Aufl., Rz. 1). Konkret verweist § 35 RVG auf §§ 23 bis 39 sowie §§ 10 bis 13 StBVV.
Der Rechtsauffassung des Rechtsanwalts entsprechend sei die Vorschrift des § 35 RVG nicht einschlägig, da es sich bei der Prüfung eines Steuerbescheids weder um eine Hilfeleistung bei der Erfüllung allgemeiner steuerlicher Pflichten noch um eine Hilfeleistung bei der Erfüllung steuerlicher Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten handele. Dass § 28 StBVV in den Geltungsbereich des § 35 RVG einbezogen würde, sei als Versehen des Gesetzgebers anzusehen. Dieser Rechtsauffassung widersprach das OLG. Es sah den eindeutigen Verstoß gegen § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO als indiziert an, in Kombination mit dem Tatbestand des Vorliegens wettbewerbswidriger Werbung.
Klarstellend verweist das OLG darauf, dass es sich bei ...