Ulrike Geismann, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Die Geschäftsgebühr ist eine Rahmengebühr nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG, bei welcher der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen bestimmt. Ist die Gebühr von einem Dritten, etwa der beklagten Behörde, zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
Wichtig: Für Steuerberater finden sich inhaltsgleiche Regelungen in § 11 StBVV.
Nach Nr. 2300 VV RVG erhält ein Rechtsanwalt für die Vertretung seines Mandanten im Vorverfahren eine Geschäftsgebühr, die mit einem Gebührensatz von 0,5 bis 2,5 berechnet werden kann. In durchschnittlichen Rechtssachen fällt regelmäßig eine Gebühr von 1,3 an. Eine darüber hinausgehende Gebühr kann der Rechtsanwalt nur fordern, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war, also über dem sog. Durchschnittsfall lag. Ob die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig und damit überdurchschnittlich war, unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle.
Der Steuerberater erhält für die Vertretung im Rechtsbehelfsverfahren vor Verwaltungsbehörden eine Geschäftsgebühr ebenfalls von 0,5 bis 2,5 einer vollen Gebühr nach Tabelle E. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann allerdings auch hier nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (§ 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 StBVV).
Befassung mit schwierigen verfassungsrechtlichen Fragen
Das FG Hamburg hatte in einem Erinnerungsverfahren darüber zu befinden, ob ein Rechtsanwalt eine Erhöhung der Geschäftsgebühr auf 2,5 wegen überdurchschnittlicher Schwierigkeit fordern kann, wenn seine Tätigkeit schwierige verfassungsrechtliche Fragen umfasste.
In dem Hauptsacheverfahren hatte sich die anwaltlich vertretene Klägerin gegen die Entrichtung einer Steuer gewandt. Der Rechtsanwalt hatte für die Klägerin, die ein Kernkraftwerk betreibt, beim Hauptzollamt eine Steueranmeldung gem. § 6 Abs. 1 KernbrStG eingereicht. Im Einspruchsverfahren gegen diese Steueranmeldung machte er geltend, das KernbrStG sei formell und materiell verfassungswidrig und verstoße gegen Europarecht.
Nach der Zurückweisung des Einspruchs durch das Hauptzollamt verfolgte der Rechtsanwalt die Sache im Klageverfahren weiter. Das FG Hamburg (Beschluss v. 29.1.2013, 4 K 270/11, EnWZ 2013, S. 422) legte das KernbrStG dem BVerfG zur Prüfung vor, weil es der Überzeugung war, die Kernbrennstoffsteuer sei keine Verbrauchsteuer i. S. d. Grundgesetzes und das KernbrStG damit formell verfassungswidrig, weil dem Bund die Gesetzgebungskompetenz fehle.
Das BVerfG hat entschieden (Beschluss v. 13.4.2017, 2 BvL 6/13, BGBl 2017 I, S. 1877), dass das Kernbrennstoffsteuergesetz mit Art. 105 Abs. 2 i. V. m. Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 des GG unvereinbar und nichtig ist.
FG billigt Erhöhung der Geschäftsgebühr
Der 4. Senat des FG Hamburg, der das der streitgegenständlichen Steueranmeldung zugrundeliegende KernbrStG dem BVerfG im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens vorgelegt hatte, hat entschieden (FG Hamburg, Beschluss v. 22.1.2018, 4 K 84/17, EFG 2018, S. 683), dass er aus eigener Anschauung zuverlässig beurteilen könne, dass der konkrete Streitfall sowohl von seinem Umfang als auch hinsichtlich seiner rechtlichen Aspekte weit über einem Durchschnittsfall lag. Die Frage, ob dem Bund für das Steuergesetz eine Gesetzgebungskompetenz zugestanden habe, habe besonders tiefe Kenntnisse des Verfassungsrechts erfordert. Der bevollmächtigte Rechtsanwalt habe sich schon im Einspruchsverfahren auf besondere Weise mit den Gesetzgebungsmaterialien befassen und das KernbrStG an der bisherigen Judikatur des BVerfG messen müssen. Dass diese Fragestellungen auch im anschließenden Klageverfahren relevant geworden seien, sei insoweit unerheblich.
Somit sei hinsichtlich des Streitfalls davon auszugehen, dass die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten überdurchschnittlich gewesen sei, sodass dieser die Geschäftsgebühr nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG nach billigem Ermessen in einer Höhe über 1,3 festsetzen durfte. Die konkrete Erhöhung der Geschäftsgebühr auf 2,5 sei angesichts der besonderen Umstände des Streitfalls nicht unbillig i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG.
FG legt Prüfungsschema anschaulich dar
Für die gerichtliche Praxis wertvoll ist die Entscheidung im Hinblick darauf, dass das FG das Prüfungsschema, unter welchen Voraussetzungen die als Rahmengebühr ausgestaltete Geschäftsgebühr i. H. v. mehr als 1,3 gefordert werden kann, anschaulich darlegt. Während die Regelgebühr von 1,3 grundsätzlich für durchschnittliche Rechtssachen anzusetzen ist, kann der Rechtsanwalt eine höhere Gebühr fordern, wenn der Rechtsstreit hinsichtlich seines Umfangs oder seiner Schwierigkeit über dem eines Durchschnittsfalls liegt. Ob allerdings die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig und damit ü...