Frage: Welche Kosten eines Finanzgerichtsprozesses können als notwendige Aufwendungen erstattet werden? Und darf es sich dabei insbesondere auch um Kosten eines parallel zum Hauptsacheverfahren geführten AdV-Verfahrens handeln?

Antwort: In § 139 Abs. 1 FGO hat der Gesetzgeber bestimmt, dass erstattungsfähige Kosten neben den Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens sind. Grundsätzlich werden hiervon die Kosten erfasst, die vom Beginn der Rechtshängigkeit des einzelnen Verfahrens bis zu dessen Beendigung entstehen. Dabei sind die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistands, der nach den Vorschriften des StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, stets erstattungsfähig (§ 139 Abs. 3 Satz 1 FGO). Der erforderliche unmittelbare Zusammenhang mit dem konkreten Rechtsstreit (einschließlich sog. unselbstständiger Zwischenverfahren) muss vom Erstattungsgläubiger dargelegt sein (vgl. Brandis in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 139 FGO Tz. 7).

Wichtig: Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind die Gebühren und Auslagen (nur) erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren für notwendig erklärt hat (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die antragsgebundene Entscheidung trifft das Gericht des ersten Rechtszugs als Kostenfestsetzungsgericht. Ein im Revisionsverfahren gestellter Antrag ist unzulässig (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH, Urteil v. 4.2.2015, XI R 42/13, BStBl 2015 II, S. 616).

Kostenerstattung bei verschiedenen selbstständigen Verfahren

Die Vorschrift des § 139 FGO durchbricht indes nicht die der FGO zugrunde liegende Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass der Finanzgerichtsprozess zwischen verschiedenen selbstständigen Verfahren unterscheidet, wie namentlich einem Klageverfahren (Hauptsacheverfahren) und einem vorab oder parallel betriebenen Verfahren wegen vorläufigen Rechtsschutzes nach § 69 Abs. 3 FGO (Nebenverfahren). Sowohl das Klageverfahren als auch das Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO sind selbstständige Verfahren, die vor diesem Hintergrund jeweils auch mit einer Kostenentscheidung nach § 135 Abs. 1 FGO enden. Der Ausspruch "Kosten des Verfahrens" in der jeweiligen, das konkrete Verfahren abschließenden Entscheidung umfasst daher ausschließlich die Kosten, die in diesem konkreten Verfahren angefallen sind (vgl. BFH, Beschluss v. 14.6.1988, VII E 1/87, BFH/NV 1989 S. 248).

Obsiegen in der Hauptsache versus verloren gegangenes AdV-Verfahren

In einem beim FG Hamburg geführten Rechtsstreit hatte sich die Klägerin, die ein Kernkraftwerk betreibt, in der Hauptsache gegen die Entrichtung einer Steuer gewandt. Das Hauptsacheverfahren ruhte zunächst bis zur Entscheidung des BVerfG in einem Normenkontrollverfahren. Nachdem das BVerfG das KernbrStG für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig erklärt hatte, hob das Finanzamt die angefochtene Steueranmeldung auf und die Beteiligten erklärten die Hauptsache für erledigt. Die Kosten des Verfahrens hatte das Hauptzollamt zu tragen (vgl. hierzu bereits HHG 8/2018 und HHG 9/2018).

Die Klägerin wandte sich mit ihrer Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Gerichts, der ihr u. a. die beantragte Festsetzung der Kosten für ein verloren gegangenes AdV-Verfahren (vgl. BFH, Beschluss v. 25.11.2014, VII B 65/14, BStBl 2015 II, S. 207), das sie parallel zum Hauptsacheverfahren geführt hatte, nicht gewährte.

FG steckt Rahmen für erstattungsfähige Aufwendungen ab

Das FG Hamburg (Beschluss v. 12.1.2018, 4 K 100/17, EFG 2018 S. 679) hat entschieden, dass die von der Klägerin geltend gemachten gerichtlichen und außergerichtlichen Aufwendungen aus Anlass des vor dem FG gestellten Antrags auf AdV und des anschließend vor dem BFH geführten Beschwerdeverfahrens keine Aufwendungen i S. d. § 139 Abs. 1 FGO darstellen, die im insoweit allein maßgeblichen Hauptsacheverfahren entstanden sind und vom Ausspruch, dass die Kosten des Verfahrens der beklagten Behörde zur Last fallen, erfasst sind. Auf die von der Klägerin im Erinnerungsverfahren aufgeworfene Fragestellung, ob es für den Ausgang eines Verfahrens vor dem BVerfG, das die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des KernbrStG zum Gegenstand hatte, notwendig war, einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO zu stellen, kam es nach Ansicht des FG nach alledem nicht an.

 
Hinweis

AdV-Verfahren ist eigenständiges Verfahren

Der vorliegende Fall zeigt anschaulich auf, dass der Grundsatz, dass das AdV-Verfahren als eigenständiges Verfahren neben dem Hauptsacheverfahren steht, in der Praxis dazu führen kann, dass ein Kläger hohe gerichtliche und außergerichtliche Kosten aus dem verloren gegangenen AdV-Verfahren zu tragen hat, obwohl er in der Hauptsache obsiegt hat. Das mag man als unbillig oder sogar als ungerecht empfinden. Das Ergebnis ist aber nicht nur Ausdruck einer ...

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