Dipl.-Finanzwirt Werner Becker, Simon Beyme
Zusammenfassung
Der BGH hat in einem Urteil erstmals festgestellt, dass ein vertragswidriges Verhalten des Beraters, das eine schuldhafte, nicht geringe Pflichtverletzung voraussetzt, nicht vorliegen kann, wenn das Ergebnis der Beraterleistung vor Mandatskündigung noch nicht an den Mandanten übergeben worden war. Herr Becker erläutert die Einzelheiten.
1 Gebührenrecht: Kein Verlust des Honoraranspruchs bei nur nachgeschobenen Kündigungsgründen
In Rechtsprechung und Literatur war bislang umstritten, ob der Vergütungsanspruch eines Rechtsanwalts nach Kündigung des Mandanten und Wegfall von dessen Interesse an den bisherigen Beratungsleistungen wegen vertragswidrigem Verhalten des Beraters bereits dann entfällt, wenn der Mandant bei Kündigung noch keine Kenntnis von der Pflichtverletzung hatte und somit seine Kündigung nicht darauf gestützt hat.
Das KG Berlin (Urteil v. 8.6.2018, 9 U 41/16, DStR 2018, S. 2449) hatte entschieden, dass es unerheblich sei, dass ein Mandant das Mandat zunächst gekündigt hat, ohne zu wissen, dass der Rechtsanwalt Vertragsentwürfe bereits gefertigt hatte und diese fehlerhaft gewesen seien. Der Mandant habe diesen Kündigungsgrund, der zum Zeitpunkt der Kündigung bereits bestanden habe, später nachschieben können. Eine am Sinn und Zweck orientierte Auslegung des § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB ergebe, dass auch ein nachgeschobener Kündigungsgrund, der im Zeitpunkt der Kündigung schon vorgelegen habe, dem kündigenden Dienstberechtigten aber seinerzeit nicht bekannt gewesen sei, die Kündigung im Sinne der Vorschrift veranlasst haben könne (vgl. hierzu ausführlich HHG 3/2019).
Der BGH (Urteil v. 7.3.2019, IX ZR 221/18, NJW 2019, S. 1870) hat das vorstehende Urteil des KG Berlin aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Er hat entschieden, dass die Kündigung des Dienstverhältnisses nur dann durch ein vertragswidriges Verhalten des Beraters veranlasst ist, wenn zwischen dem vertragswidrigen Verhalten und der Kündigung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht.
Wann ein unmittelbarer Zusammenhang besteht
Der III. Zivilsenat des BGH (Urteil v. 13.9.2018, III ZR 294/16, NJW 2018, S. 3513) hat im Zusammenhang mit einem zahnärztlichen Behandlungsvertrag (hier: Unbrauchbarkeit der zahnärztlichen Leistung bei fehlerhaft eingesetzten Implantaten) ebenfalls so entschieden. Ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, wenn die Vertragsverletzung Motiv für die außerordentliche Kündigung gewesen sei und sie adäquat kausal verursacht habe.
Beide BGH-Entscheidungen sind auf die Vergütungsansprüche von Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und anderen Beratern anwendbar.
Der BGH führt aus, dass nach § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB die schuldhafte Vertragsverletzung der Grund für die außerordentliche Kündigung gewesen sein muss. Erlange der Kündigende erst später Kenntnis von einer hinreichenden Vertragswidrigkeit, fehle die Kausalität.
Nichts anderes gelte für den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts. Auch er behalte seinen Vergütungsanspruch nach § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn zwischen seinem vertragswidrigen Verhalten und der Kündigung durch den Mandanten kein unmittelbarer Zusammenhang bestehe.
Unmittelbarer Zusammenhang zwischen vertragswidrigem Verhalten und Kündigung
§ 628 Abs. 1 Satz 2 BGB kann, um Wertungswidersprüche innerhalb der Regelung zu vermeiden, nicht anders ausgelegt werden als § 628 Abs. 2 BGB, der ebenfalls darauf abstellt, dass die Kündigung durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teils veranlasst wird. Zu dieser Regelung wird einhellig vertreten, dass die schuldhafte Auftragsverletzung Anlass für die Auflösung gewesen sein muss. Es muss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem vertragswidrigen Verhalten und der Kündigung oder dem Aufhebungsvertrag bestehen.
Der BGH verneint zudem die Vergleichbarkeit der Interessenlage und des Schutzzwecks von § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB mit demjenigen von § 626 Abs. 1 BGB (Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist), der nach ständiger Rechtsprechung auch bei nach Kündigungsausspruch nachgeschobenen Kündigungsgründen anwendbar sei, sofern diese bei Kündigung objektiv vorgelegen hätten (vgl. BGH, Beschluss v. 11.10.2017, VII ZR 46/15, NJW 2018, S. 50).
Diese abweichende Wertung liege darin begründet, dass nach dem allgemeinen Verständnis nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen sei, ob ein wichtiger Grund gegeben ist. Es gehe darum, ob die Unzumutbarkeit, das Vertragsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung bzw. bis zur Fertigstellung des Werks fortzusetzen, bei objektiver Beurteilung zu bejahen und schon im Zeitpunkt der Kündigung gegeben gewesen sei. Mithin stellten § 626 Abs. 1 BGB (und § 648a Abs. 1 BGB) lediglich auf das Vorliegen eines wichtigen Grunds ab. Hiervon abweichend sprächen § 628 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB davon, die Kündigung müsse durch das vertragswidrige Verhalten des anderen Teils veranlasst worden sein.
Bemerkenswertes Urteil des BGH
Bemerkenswert ist das Urteil auch deshalb, weil der BGH erstmals feststellt, dass ein ver...