Dr. Dario Arconada Valbuena, Dipl.-Finanzwirt Thomas Rennar
Frage: Sie hatten in der Vergangenheit bereits mehrmals über die Nutzung des beSt informiert. In Erinnerung ist mir insbesondere der Hinweis auf die Urteile des Niedersächsischen FG v. 16.4.2024 (13 K 114/23, Revision eingelegt, Az. beim BFH: X R 11/24, und 13 K 115/23, Revision eingelegt, Az. beim BFH: X R 12/24), wonach Steuerberater die Klage nicht mehr fristwahrend in Schriftform nach § 64 Abs. 1 FGO beim Finanzamt anbringen können. Obwohl ich davon ausgehe, dass der BFH diese Revisionen noch nicht entschieden hat, würde mich allgemein interessieren, ob der BFH zwischenzeitlich andere, für die Beratungspraxis bedeutsame Entscheidungen zum beSt getroffen hat.
Antwort: Was die Frage zu den Revisionsverfahren X R 11/24 und X R 12/24 angeht, haben Sie Recht, denn diese "recht jungen" Revisionsverfahren hat der BFH noch nicht entschieden. Hinzuweisen ist im Zusammenhang mit der in Rede stehenden Problematik, dass das FG München (Urteil v. 29.2.2024, 13 K 1318/23, Revision eingelegt, Az. beim BFH: IX R 7/24) und das FG Berlin-Brandenburg (Urteil v. 20.3.2024, 9 K 9108/23, EFG 2024, S. 1601, Revision eingelegt, Az. beim BFH: VI R 17724) ebenfalls entschieden haben, dass die seit dem 1.1.2023 bestehende Pflicht zur Nutzung des beSt auch bei einer Anbringung der Klage beim Finanzamt nach § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO gilt.
Großen Senat anrufen
Nun werden sich 3 verschiedene Senate des BFH (der VI., der IX. und der X. Senat) mit dieser Frage beschäftigen müssen. Es ist in einem solchen Fall üblich, dass sich die betreffenden Senate vor ihrer jeweiligen Entscheidung untereinander mündlich abstimmen, damit eine einheitliche Auffassung des Bundesgerichts zu dieser Frage ermöglicht wird.
Sollte eine solche einheitliche Auffassung nicht gefunden werden, wäre die Sache ggf. von einem der 3 Senate dem Großen Senat des BFH zur abschließenden Entscheidung vorzulegen (§ 11 Abs. 2 FGO).
Rechtsprechung des BFH zur Nutzung des beSt im Allgemeinen
Fast alle Senate des BFH, die bislang mit der Frage der verbindlichen aktiven Nutzungspflicht des beSt ab dem 1.1.2023 befasst waren, vertreten übereinstimmend die Auffassung, dass nach der FGO vertretungsberechtigte Personen dem Gericht vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln müssen, wenn ihnen dafür ein sicherer Übertragungsweg zur Verfügung steht.
Das beSt sei ein auf gesetzlicher Grundlage errichtetes elektronisches Postfach. Der Übermittlungsweg zwischen diesem elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts sei ein sicherer Übertragungsweg i. S. d. § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO.
Es sei unerheblich, ob dem jeweiligen Steuerberater die von ihm vorzuhaltenden technischen Einrichtungen zur Verfügung stünden und das beSt von diesem tatsächlich freigeschaltet sei. Beantrage ein Steuerberater wegen Nichtnutzung des beSt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, müsse er darlegen, weshalb er nicht von der Möglichkeit der Priorisierung seiner Registrierung (sog. fast lane) Gebrauch gemacht habe.
X. Senat des BFH hat Zweifel an gesetzlicher Grundlage für Registrierungspflicht
Der X. Senat des BFH (Beschlüsse v. 17.4.2024, X B 68/23 und X B 69/23, DStR 2024, S. 1127) hat zum Ausdruck gebracht, dass er Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verpflichtung von Steuerberatern zur aktiven Nutzung eines beSt bereits für die Zeit ab dem 1.1.2023 hegt. Diese Entscheidung dürfte beim BMF für Unruhe sorgen und für Verunsicherung bei Steuerberatern.
§ 86f Nr. 2 StBerG ermächtigt das BMF, durch Rechtsverordnung nach Anhörung der BStBK mit Zustimmung des Bundesrats die Einzelheiten des beSt zu regeln. § 86f StBerG ist durch Art. 4 Nr. 35 des Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe v. 7.7.2021 (BGBl 2021 I, S. 2363) in das StBerG eingefügt worden. Obwohl das v. g. Gesetz bereits am 1.8.2022 in Kraft getreten ist, bestimmt § 158e StBerG, dass § 86f StBerG erstmals nach Ablauf des 31.12.2022 anzuwenden ist.
Aufgrund der Ermächtigungsgrundlage in § 86f StBerG hat das BMF (bereits) am 25.11.2022 die Steuerberaterplattform- und -postfachverordnung (StBPPV) erlassen. Die StBPPV wurde am 30.11.2022 verkündet und ist am 1.1.2023 in Kraft getreten (BGBl 2022 I, S. 2105).
Auffassung des X. Senats des BFH
Der X. Senat begründet seine Zweifel an der formellen Verfassungsmäßigkeit der StBPPV damit, dass die StBPPV bereits vor der Anwendbarkeit der Ermächtigungsgrundlage (§ 86f StBerG) am 25.11.2022 erlassen und am 30.11.2022 verkündet worden sei.
Die Wirksamkeit einer Rechtsverordnung setze aber voraus, dass ihre nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG erforderliche formell-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage im Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsverordnung "in Geltung gesetzt" gewesen sei. Dieser Fehler dürfte – so der X. Sen...