Dipl.-Betriebsw. Thorsten Hesse, Dipl.-Finanzwirt Thomas Rennar
In der täglichen Praxis eines Steuerberaters spielt neben der fachlichen Expertise auch die Psychologie eine zentrale Rolle. Insbesondere die sog. Reaktanz – ein psychologisches Phänomen, das beschreibt, wie Menschen auf den wahrgenommenen Verlust von Freiheit reagieren – ist von großer Bedeutung im professionellen Umgang mit Mandanten.
Reaktanz kann bei Mandanten zu Widerständen führen, welche die Zusammenarbeit erschweren und die Effektivität der steuerlichen Beratung beeinträchtigen. Ziel ist es, Reaktanz im steuerlichen Kontext zu erklären und praxisnahe Ansätze zur Vermeidung dieses Phänomens vorzustellen.
Was ist Reaktanz?
Reaktanz beschreibt die negative Reaktion einer Person, wenn sie das Gefühl hat, in ihrer Freiheit eingeschränkt zu werden. Diese Theorie wurde ursprünglich von Jack Brehm (1966) formuliert und besagt, dass Menschen darauf reagieren, wenn ihre Wahlmöglichkeiten oder ihre Autonomie bedroht sind. Sie versuchen, die verloren geglaubte Freiheit wiederzuerlangen, indem sie entgegen den Vorgaben oder Empfehlungen handeln.
Im Umfeld der Steuerberatung kann Reaktanz auftreten, wenn Mandanten den Eindruck gewinnen, ihre Handlungsfreiheit sei durch die Vorschläge oder Handlungsanweisungen des Beraters eingeschränkt. Dies kann z. B. dann geschehen, wenn der Steuerberater zu autoritär wirkt oder Lösungen präsentiert, ohne auf die Wünsche des Mandanten ausreichend einzugehen.
Reaktanz bei Mandanten: Ursachen und Auslöser
Verschiedene Faktoren können Reaktanz bei Mandanten auslösen:
- Direkte Anweisungen oder starre Vorgaben: Wenn der Steuerberater klare Vorgaben macht, ohne Alternativen zu präsentieren oder den Mandanten in den Entscheidungsprozess einzubeziehen, kann dies als Einschränkung der Handlungsfreiheit empfunden werden.
- Übermäßige Kontrolle: Mandanten, die das Gefühl haben, dass der Steuerberater jede Entscheidung kontrollieren möchte, neigen dazu, Widerstand zu leisten.
- Fehlende Transparenz: Ein mangelndes Verständnis für die vorgeschlagenen Maßnahmen oder steuerlichen Strategien kann das Gefühl der Fremdbestimmung verstärken, was zu Reaktanz führt.
Praktische Beispiele für Reaktanz im Steuerberateralltag
Die Wahl der Abschreibungsmethode
Ein Mandant kommt zu Ihnen mit der Frage, welche Abschreibungsmethode für seine Investition die beste ist. Sie geben eine klare Empfehlung für die lineare Abschreibung, ohne Alternativen wie die degressive Abschreibung zu erwähnen oder deren Vorteile zu erklären.
Der Mandant fühlt sich in seiner Entscheidung eingeschränkt und reagiert mit Ablehnung, obwohl die Empfehlung sachlich korrekt ist.
Neben Abschreibungsmethoden werden auch steuerliche Gestaltungen häufig Gegenstand von Mandantenbesprechungen sein.
Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten
Ein Unternehmer plant eine Umstrukturierung seines Unternehmens. Sie präsentieren eine steuerlich optimale Lösung, ohne den unternehmerischen Hintergrund oder die Risikobereitschaft des Mandanten ausreichend zu berücksichtigen.
Der Mandant fühlt sich bevormundet und lehnt Ihren Vorschlag ab, da er das Gefühl hat, die Kontrolle über seine eigenen Entscheidungen zu verlieren.
Strategien zur Vermeidung von Reaktanz
Die Vermeidung von Reaktanz erfordert einen sensiblen und auf den Mandanten ausgerichteten Beratungsansatz. Folgende Strategien können helfen:
Partizipation und Einbindung des Mandanten: Eine Möglichkeit, Reaktanz zu vermeiden, besteht darin, den Mandanten aktiv in den Entscheidungsprozess einzubinden. Statt nur eine Lösung zu präsentieren, sollten Alternativen aufgezeigt werden, um dem Mandanten das Gefühl zu geben, dass er die Kontrolle über seine Entscheidungen behält.
Mandant informieren und in Entscheidungsfindung einbeziehen
Bei der Wahl der Rechtsform eines Unternehmens kann der Steuerberater verschiedene Modelle, wie die GmbH oder UG, vorstellen und die Vor- und Nachteile erläutern. So fühlt sich der Mandant besser informiert und in den Entscheidungsprozess eingebunden.
Erklärung und Transparenz: Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die verständliche Erklärung der steuerlichen Empfehlungen. Der Mandant muss nachvollziehen können, warum eine bestimmte Maßnahme sinnvoll ist, um sie nicht als Fremdbestimmung zu empfinden.
Mandant Empfehlungen erläutern
Anstatt dem Mandanten nur mitzuteilen, dass die lineare Abschreibung steuerlich vorteilhafter ist, sollte der Berater die finanziellen Auswirkungen in einem längeren Zeitraum erklären und mit den Alternativen vergleichen. So versteht der Mandant die Empfehlung besser und fühlt sich in der Entscheidung unterstützt.
Empathie und Verständnis für die Mandantenperspektive: Es ist entscheidend, die individuellen Bedürfnisse und Bedenken des Mandanten ernst zu nehmen. Dies erfordert eine offene Kommunikation, bei der die persönlichen und geschäftlichen Ziele des Mandanten stets im Fokus stehen.
Ein auf Sicherheit bedachter Mandant wird eine aggressive, lösungsorientierte Steuergestaltung eher ablehnen. Hier sollte der Steuerberater alt...