Wie Führungsteams aus den Fehlern der Regierungskoalition lernen
In politisch und wirtschaftlich unsicheren Zeiten sehnen sich viele Menschen nach einer "starken Führung" – genauer gesagt nach einer Führung, die ihnen Halt und Orientierung gibt, sodass sie trotz aller Widrigkeiten ihre Zuversicht nicht verlieren. Dieses Gefühl kann ein Führungsteam Menschen nur vermitteln, wenn es sich nach außen erkennbar bei seinem Handeln von einer gemeinsamen Vision leiten lässt und sich dabei auf einen gemeinsamen Wertekanon stützt.
Warum Einigkeit in der Führung so wichtig ist
Den Teamspirit, der zu einem gemeinsamen Ziehen am selben Strang führt, vermissen aktuell viele Bundesbürger bei unserer Regierung. Stattdessen werden sie permanent Zeugen von Streitigkeiten in der Ampel-Koalition. Und kaum ist ein Zwist scheinbar beigelegt und verkünden die Regierungsvertreter öffentlich "Künftig agieren wir stärker als Team", folgt bereits der nächste Streit.
Die Regierungsparteien sind sich einig, dieses Gefühl wird den Bürgern hingegen selten vermittelt; stattdessen werden wider alle Willenserklärungen immer wieder neue Differenzen zur Schau gestellt. Dabei entsteht Vertrauen in eine Führung nur, wenn ein Top-Team auch wirklich als Team agiert - wenn man also bei seinem Handeln trotz aller punktuellen Meinungsunterschiede unter anderem eine wechselseitige Wertschätzung spürt und das Bestreben, gemeinsam die anstehenden Aufgaben zu lösen.
Auch in der Arbeitswelt ist ein solcher Teamspirit, der auf einer gemeinsamen Vision und Wertebasis basiert, wichtig – und zwar unabhängig davon, wie stark bei den Debatten hinter verschlossenen Türen, wenn das Top-Team tagt, "die Fetzen fliegen".
Sich auf die gemeinsamen Werte und Ziele besinnen
Zum Glück ist dies vielen Unternehmensführern bewusst. So antwortete mir denn auch der CEO eines Konzerns, als ich ihn vor einiger Zeit fragte, wie er trotz der vielen Herausforderungen, vor denen seine Organisation steht, diese zusammenhält: "Indem wir uns im Management-Team bei Konflikten immer wieder darauf besinnen, was unsere gemeinsamen Werte und übergeordneten Ziele sind; außerdem, indem wir darauf achten, dass unsere Werte nicht nur in unserem Führungsteam, sondern auch im Führungsalltag gelebt werden und wir nach außen stets eine solche Einigkeit bewahren, dass zwischen uns scheinbar kein Blatt Papier passt."
Genau diese Art von Zusammenhalt – getragen von gemeinsamen Werten und Zielvorstellungen – fehlt aktuell unserer politischen Führung. Und das hat Konsequenzen. Die Umfragewerte von Bundeskanzler Olaf Scholz & Co sinken immer weiter in den Keller, während die AfD erstarkt. Und seit Monaten wird darüber debattiert: Bricht die Koalition bald auseinander? Wäre es nicht besser, Neuwahlen durchzuführen? Das heißt, unsere Regierung wird von einer wachsenden Zahl von Bürgern als "lame duck" wahrgenommen, der es zunehmend schwerfällt, etwas zu bewegen, selbst wenn sie etwas bewegen möchte. Keine idealen Voraussetzungen, um eine Zeitenwende zu vollziehen.
Zuversicht und Veränderungswillen ausstrahlen
Studien belegen: Menschen werden von Positivität angezogen. Dehalb wird es bei Konflikten und Streitereien, die auch zu emotionalen Verletzungen führen, für Führungsteams extrem schwierig,
- Menschen zu inspirieren,
- sie als Mitstreiter zu gewinnen und
- bei ihnen die nötige Veränderungsenergie zu erzeugen.
Wenn ein Führungsteam selbst kein solidarisches Verhalten zeigt, bei dem jeder dem anderen auch mal Zugeständnisse macht, kann es ein solches Verhalten auch nicht von den Mitarbeitenden erwarten. Wenn es selbst nicht die Zuversicht ausstrahlt "Wir erreichen unser Ziel, wenn …", dann kann es auch nicht erwarten, dass die Mitarbeitenden ihre Ängste beiseite schieben und die nötigen Veränderungen vollziehen. Sowohl für die Politik als auch für die Wirtschaft gilt: Im Verhalten der Bürger bzw. Mitarbeitenden spiegelt sich weitgehend das Verhalten der Führungsmannschaft wider.
Sich Zeit für die Menschen nehmen
Hinzu kommt: Haben die Betroffenen – seien dies Mitarbeitende oder Bürger – das Gefühl "Unsere Führung ist primär mit sich selbst beschäftigt", dann entsteht bei ihnen auch fast automatisch das Gefühl "die da oben interessieren sich nicht mehr für uns" - und zwar unabhängig davon, wie oft die Verantwortlichen abends zum Beispiel als Politiker (nach einem gewiss anstrengenden Arbeitstag) in Talkshows sitzen und dort versuchen, den Bürgerinnen und Bürgern ihre Entscheidungen und Handlungen zu erläutern.
Hinzu kommt ein weiterer Punkt: Wird in einem Führungsteam, weil eine gemeinsame Wertebasis und Vision (und eventuell auch das nötige wechselseitige Vertrauen) fehlen, auch das Treffen von Entscheidungen schwierig, dann entsteht automatisch ein Drang zum Durchreagieren, also Entscheiden ohne Einbezug der Betroffenen. Das heißt, es wird weitgehend nur noch mit Vorgaben reagiert bzw. geführt bzw. gemäß der Maxime: "So haben wir es nun mal entschieden, also machen wir es auch so – Punkt. Aus. Basta."
Keine unnötigen Widerstände produzieren
Das erzeugt bei allen Betroffenen, denen ihre persönliche Autonomie wichtig ist, das Gefühl: Hilfe, meine (Entscheidungs- und Handlungs-)Freiheit und Selbstbestimmung werden verletzt bzw. sind bedroht. Also reagieren sie mit Ablehnung oder gar Widerstand. Dieses Phänomen, das in der Sozialpsychologe als Reaktanz bezeichnet wird, konnte man in den zurückliegenden Jahren nicht nur in der Corona-Zeit, sondern auch in der Debatte um den Einbau von Wärmepumpen gut beobachten. Bei ihr hatten nicht wenige Bürger das Gefühl: "Die Politiker mischen sich zu stark in unser Leben ein; sie schränken unsere Freiheit ein." Also zeigten sie Widerstand.
Ähnliche Probleme drohen aktuell vielen Unternehmen, zum Beispiel, wenn es um die Frage geht, wie die Künstliche Intelligenz in einer Organisation genutzt werden soll – ebenfalls ein Thema, bei dem sich viel Mitarbeitende nicht nur in ihrem Recht auf Selbstbestimmung, sondern sogar existenziell bedroht fühlen. Deshalb besteht auch hier die Gefahr, dass die Unternehmen auf erhebliche Widerstände bzw. Akzeptanzprobleme stoßen, sofern ihre Führungskräfte
- kein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Mitarbeitenden haben,
- sie nicht ausreichend in ihre Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse einbinden, so dass die Betroffenen das Gefühl haben "Ich werde gehört" und
- sie nicht angemessen über ihre Entscheidungen und Vorhaben informieren.
Dies gilt es zu vermeiden.
Fazit: Im Verhalten der Mitarbeitenden spiegelt sich das der Führung wider
Generell gilt: Wie offen Menschen für Veränderungen sind und wie viel Bereitschaft sie zur Veränderung zeigen, hängt weitgehend von der Qualität ihrer Führung ab. Haben sie das Gefühl, ihre Wünsche und Bedürfnisse werden wahrgenommen und ernst genommen und fließen in die Entscheidungen ein, entwickeln sie auch Vertrauen in ihre Führung sowie in deren Ideen und Vorhaben.
Entsprechend wichtig ist ein Führungsstil, der
- gezielt den Dialog bzw. Diskurs mit den Betroffenen sucht,
- sich erkennbar an gemeinsamen übergeordneten Werten orientiert,
- die Mitarbeitenden bzw. Menschen zu Beteiligten macht und ihnen einen konkreten Weg zum Ziel aufweist und
- sie beim Erwerb neuer Kompetenzen und Einüben neuer Verhaltensweisen unterstützt.
Denn nur mit ihm können die Betroffenen – seien dies Mitarbeitende oder Bürger – als Mitstreiter gewonnen und die Herausforderungen unserer Zeit wirklich gemeistert werden.
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