Leitsatz

1. Eine Neubewertung von Prüfungsleistungen durch andere Prüfer als diejenigen, die die Prüfungsleistung ursprünglich bewertet haben, kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn ein Prüfer an der Teilnahme am Überdenkungsverfahren aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gehindert ist. Das gilt nicht nur dann, wenn das Überdenkungsverfahren vor Erhebung einer Klage oder während des Klageverfahrens auf Grund von Einwendungen des Prüflings durchgeführt wird, sondern ebenso, wenn das Gericht die Prüfungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit der Bewertung aufgehoben hat.

2. Ein Prüfer, der in einen Prüfungsausschuss als Beamter der Finanzverwaltung berufen worden ist, ist von der Mitwirkung am Überdenkungsverfahren nicht deshalb ausgeschlossen, weil er vor dessen Abschluss in den Ruhestand getreten ist.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1 DVStB , § 24 DVStB , § 29 DVStB

 

Sachverhalt

Über die Bewertung der Leistungen eines Prüflings im schriftlichen Teil der Steuerberaterprüfung bestand Streit, der in mehreren finanzgerichtlichen Verfahren ausgetragen wurde. Diese dauerten insgesamt so lange, dass mittlerweile einer der beiden Prüfer, welche eine der Arbeiten bewertet hatten, in den Ruhestand getreten war, als die Arbeit nach erneuter Aufhebung der Prüfungsentscheidung durch das FG erneut bewertet werden sollte. Der Ruhestandsbeamte nahm diese Bewertung ungeachtet seiner Pensionierung vor.

Das FG hob deshalb den Prüfungsbescheid auf; der Prüfungsausschuss sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, weil in ihm ein in den Ruhestand getretener Beamter der Finanzverwaltung nicht (mehr) mitwirken dürfe.

 

Entscheidung

Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Anerkennung eines Bewertungsfehlers in einem gerichtlichen Verfahren dürfe einem Prüfling weder zum Vorteil noch zum Nachteil gereichen, es müssten für ihn so weit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien wie bei den Mitprüflingen gelten. Der Anspruch auf Korrektur eines solchen Fehlers dürfe vor allem nicht auf einen Anspruch auf eine Wiederholungsprüfung hinauslaufen. Er sei deshalb dadurch zu befriedigen, dass dieselben Prüfer die Bewertung überprüfen, die sie ursprünglich vorgenommen haben. Davon gehe auch § 29 DVStB aus.

Diese Grundsätze gälten nicht nur dann, wenn das verwaltungsinterne Überdenkungsverfahren vor Erhebung einer gerichtlichen Klage oder während des Klageverfahrens durchgeführt wird, sondern auch dann, wenn das Gericht die Prüfungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit der ihr zugrunde liegenden Bewertung aufgehoben hat. Eine Neubewertung von Prüfungsleistungen durch andere Prüfer komme nur dann in Betracht, wenn im Einzelfall ein Prüfer an der Teilnahme am Überdenkungsverfahren aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gehindert ist. Trete ein Beamter in den Ruhestand, der in einen Prüfungsausschuss als Beamter der Finanzverwaltung (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 DVStB) berufen worden ist, sei er von der Mitwirkung an einem verwaltungsinternen Überdenkungsverfahren jedoch nicht ausgeschlossen.

 

Hinweis

1. Die gerichtliche Kontrolle einer Prüfungsentscheidung stößt dort an Grenzen, wo sie nicht auf fachspezifischen Urteilen darüber beruht, ob etwas "falsch" oder "richtig" ist, sondern auf einem Bewertungsvorgang. Die durch den Grundsatz der Chancengleichheit gebotene gleichmäßige Beurteilung aller vergleichbaren Kandidaten ist insoweit nur erreichbar, wenn den Prüfern bei solchen prüfungsspezifischen Wertungen ein Entscheidungsspielraum verbleibt und die gerichtliche Kontrolle eingeschränkt wird.

2. Für den dadurch bewirkten Ausfall einer gerichtlichen Kontrolle der Prüfungsentscheidung stellt das verwaltungsinterne Verfahren des Überdenkens der Bewertung einer Prüfungsleistung durch die Prüfer selbst einen unerlässlichen Ausgleich dar. Die Überprüfung der Bewertung durch einen anderen Prüfer wäre hingegen wegen dieses höchstpersönlichen und unvertretbaren Charakters prüfungsspezifischer Wertungen genauso wie deren Ersetzung durch eine Beurteilung der vom Prüfling erbrachten Leistungen durch ein Gericht nicht bloße Rechtsschutzgewährung gegenüber der ursprünglich getroffenen Bewertung, sondern eigenständige Bewertung außerhalb des ursprünglichen Vergleichsrahmens.

3. Hierauf hat der Prüfling nur dann Anspruch, wenn die Prüfung anders nicht rechtmäßig zu Ende geführt werden kann, etwa weil ein Prüfer befangen ist, nicht aber z.B. wenn es sich um einen der Finanzbeamten handelt, die in die Prüfungskommission berufen werden müssen, und dieser Finanzbeamte in den Ruhestand tritt, bevor die Prüfung abgeschlossen ist.

4. Der BFH hat sich nicht dazu geäußert, ob und ggf. wie die Prüfungsbehörde sicherstellen muss, dass die Beamten der Finanzverwaltung möglichst bis zum Abschluss eines Prüfungsverfahrens einschließlich des dazugehörigen "Überdenkungsverfahrens" der Prüfungsbehörde auch dann zur Verfügung stehen, wenn sie in den Ruhestand treten oder z.B. versetzt werden.

5. Ist allerdings bereits die Prüfungsleistung selbst rechts...

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