Aus den vorgenannten Leitgedanken heraus soll im Folgenden der erste Leitgedanke des MoPeG, d.h. die Konsolidierung der GbR, näher untersucht werden.
Durch die Verselbständigung der GbR wird mit Wirkung ab dem 1.1.2024 das Gesamthandsvermögen zugunsten eines eigenen Gesellschaftsvermögens entfallen. Daher soll nachfolgend insbesondere der Wegfall des Gesamthandsvermögens näher analysiert werden. Dazu werden
- zunächst die gesellschaftsrechtlichen Implikationen des Entfalls des Gesamthandsvermögens beleuchtet und
- sodann deren Auswirkung auf die grundlegende Besteuerung von Personengesellschaften analysiert;
- eine einzelsteuergesetzliche Evaluation der Änderungen durch das MoPeG wird sodann im zweiten Teil dieses Beitrags (8/2022) und
- eine Auswirkung auf bestehende Verwaltungsvorschriften ebenso im zweiten Teil dieses Beitrags (8/2022) erfolgen.
1. Gesamthandsvermögen de lege lata
Das Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft ergibt sich de lege lata aus §§ 718, 719 und 738 BGB. Auf diese Vorschriften rekurrieren auch etwa die gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf eine OHG oder KG – soweit dort nichts anderes geregelt ist.
§ 718 Abs. 1 BGB enthält eine Legaldefinition des Gesellschaftsvermögens, welches die Beiträge der Gesellschafter und die durch die Geschäftsführung für die Gesellschaft erworbenen Gegenstände als grundsätzlich gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter definiert; dem liegt der Gedanke zugrunde, dass das Vermögen einer Personengesellschaft den Gesellschaftern gemeinsam gehört. Aus § 719 BGB ergibt sich eine gesamthänderische Bindung des Vermögens, das eine Mitberechtigung der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen und dessen strikte Trennung vom sonstigen Privatvermögen der Gesellschafter zu Folge hat.§ 738 BGB enthält Regelungen zur Anwachsung des Gesellschaftsvermögens bei Ausscheiden eines Gesellschafters.
Historischer Leitgedanke der GbR als reine Innengesellschaft: Die historischen Wurzeln des Gesamthandsvermögens liegen in der Konzeption der GbR als reine Innengesellschaft. Über die einzelnen Wirtschaftsgüter einer GbR können die Gesellschafter aus der Idee des Gesamthandsvermögens heraus nicht anteilig, sondern nur gemeinsam verfügen. Damit handelt es sich bei dem Gesamthandsvermögen um Sondervermögen der Gesellschafter. Da keinem der Gesellschafter ein Recht an einzelnen oder anteiligen Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögen zusteht, sieht aktuell § 719 BGB eine gesamthänderische Bindung – und damit eine nur gemeinschaftliche Verfügung – vor.
Weiterentwicklung: Ausgehend von dem historischen Leitgedanken der GbR als reine Innengesellschaft haben sich die Gesamthandsgemeinschaft und deren Definition seit 1900 weiterentwickelt. Zwischenzeitlich ist eine GbR in der Judikatur
- zu einer rechtlich verselbständigten Vermögensmasse erstarkt,
- die nunmehr selbst Trägerin von Rechten und Pflichten sein kann.
Dies hat zur Folge, dass die Gesellschaft selbst als Eigentümerin ihres Vermögens qualifiziert, wohingegen die Gesellschafter lediglich Eigentümer der Gesellschaftsanteile sind.
Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass sich durch die Fortentwicklung der GbR die dogmatische Erforderlichkeit eines Gesamthandsvermögens unter dem Gesichtspunkt der Vermögenstrennung erübrigt hat.
2. Gesellschaftsvermögen de lege ferenda
De lege ferenda regelt § 713 BGB n.F., dass die Beiträge der Gesellschafter sowie die für oder durch die Gesellschaft erworbenen Rechte und die gegen sie begründeten Verbindlichkeiten Vermögen der Gesellschaft darstellen. Beachten Sie: Dabei handelt es sich um eine Regelung, die das Gesellschaftsvermögen der rechtsfähigen GbR beschreibt; die nichtrechtsfähige GbR soll indes weiterhin kein eigenes Vermögen haben.