LfSt Bayern v. 23.3.2020, S 1980.1.1-81/69 St36
1. Überblick
Mit dem Investmentsteuerreformgesetz vom 19.07.2016 (BGBl I 2016 S. 1730) wurde durch die Einführung des intransparenten Teilfreistellungssystems eine grundlegend neue Konzeption der Besteuerung von Investmentfonds und deren Anleger vorgenommen. Das semitransparente Besteuerungssystem wird ausschließlich für Spezial-Investmentfonds und deren Anleger unter den Voraussetzungen der §§ 26, 27 InvStG fortgeführt.
Auf Anlegerebene wird der Systemwechsel durch eine fiktive Veräußerung der sog. Alt-Anteile nachvollzogen. Diese wird steuerbilanziell zum 31.12.2017 abgebildet. Eine steuerliche Berücksichtigung des fiktiven Veräußerungsgewinns erfolgt aber erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung der Alt-Anteile durch den Anleger (§ 56 Abs. 3 S. 1 InvStG). Für betriebliche Anleger ist deshalb nach § 56 Abs. 5 InvStG eine gesonderte Feststellung des Gewinns aus der fiktiven Veräußerung von Alt-Anteilen zum 31.12.2017 vorzunehmen.
2. Materielles Recht
2.1. Fiktive Veräußerung nach § 56 Abs. 2 InvStG
Anteile an Investmentfonds, an Kapital-Investitionsgesellschaften nach § 19 InvStG 2004 und an Organismen, die zum 01.01.2018 erstmals in den Anwendungsbereich des InvStG fallen (Alt-Anteile), gelten nach § 56 Abs. 2 S. 1 InvStG mit Ablauf des 31.12.2017 als veräußert und mit Beginn des 01.01.2018 als angeschafft (sog. fiktive Veräußerung).
Die fiktive Veräußerung führt zu einer von der Handelsbilanz abweichenden Bewertung der Alt-Anteile in der Steuerbilanz. Das bilanzielle Ergebnis ist in eine steuerliche Rücklage einzustellen, da der fiktive Veräußerungsgewinn nach § 56 Abs. 3 S. 1 InvStG erst bei tatsächlicher Veräußerung der Alt-Anteile zu berücksichtigen ist. Eine ausführliche Darstellung zur steuerbilanziellen Abbildung der fiktiven Veräußerung am 31.12.2017 kann den Rzn. 56.49 ff. des BMF-Schreibens vom 21.05.2019 (BStBl 2019 I S. 527) entnommen werden.
2.2. Besteuerung des fiktiven Veräußerungsgewinns nach § 56 Abs. 3 S. 1 InvStG
Der zum 31.12.2017 ermittelte fiktive Veräußerungsgewinn nach § 56 Abs. 2 S. 1 InvStG einschließlich außerbilanzieller Hinzu- und Abrechnungen ist nach § 56 Abs. 3 S. 1 InvStG zu dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, zu dem der Alt-Anteil tatsächlich veräußert wird.
Der fiktive Veräußerungsgewinn ist dabei nach den am 31.12.2017 geltenden Vorschriften zu ermitteln. Dabei sind auch außerbilanzielle Hinzurechnungen und Abrechnungen auf Grund der Berücksichtigung eines Immobilien- und Aktiengewinns nach § 8 Abs. 1 und 2 InvStG 2004 einzubeziehen (vgl. Rz. 56.64 des BMF-Schreibens vom 21.05.2019a.a.O.).
3. Verfahrensrecht
3.1. Gesonderte Feststellung des fiktiven Veräußerungsgewinns
Der fiktive Veräußerungsgewinn ist gesondert festzustellen, wenn die Alt-Anteile zum Betriebsvermögen des Anlegers gehören (§ 56 Abs. 5 S. 1 InvStG). Gleiches gilt für Mitunternehmerschaften als Anleger. Die gesonderte Feststellung entfaltet Bindungswirkung nach § 182 Abs. 1 AO für die Besteuerung des fiktiven Veräußerungsgewinns bei tatsächlicher Veräußerung der Alt-Anteile. Bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften ist auf Anlegerebene eine gesonderte Feststellung durchzuführen, wenn die Beteiligung an der Personengesellschaft in einem Betriebsvermögen des Anlegers gehalten wird.
Zuständig für die gesonderte Feststellung ist das für die Besteuerung des Anlegers nach dem Einkommen zuständige Finanzamt (§ 56 Abs. 5 S. 9 InvStG). Bei gesonderten Feststellungen das Feststellungsfinanzamt nach § 18 AO (§ 56 Abs. 5 S. 10 InvStG).
Bei einer (ggf. teilweisen) Realisierung des fiktiven Veräußerungsgewinns erfolgt verfahrensrechtlich keine Änderung der gesonderten Feststellung. Die Besteuerung des fiktiven Veräußerungsgewinns erfolgt durch (ggf. teilweise) Auflösung entsprechender Rücklagen im Rahmen der Erstellung der Steuerbilanz sowie durch Erfassung der außerbilanziellen Hinzurechnungen und Abrechnungen in der Steuerfestsetzung.
3.2. Erklärung zur gesonderten Feststellung
Der Anleger hat frühestens nach dem 31.12.2019 und spätestens bis zum 31.12.2022 eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des fiktiven Veräußerungsgewinns nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln. Auf Antrag kann die Finanzbehörde bei Härtefällen auf die elektronische Übermittlung verzichten (§ 56 Abs. 5 S. 8 InvStG). In diesem Fall ist die Erklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben (Vordruck InvSt VG).
Die Feststellungserklärung steht einer gesonderten Feststellung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich; eine berichtigte Feststellungserklärung gilt als Antrag auf Änderung (§ 56 Abs. 5 S. 6 InvStG). Der Anleger hat nach § 56 Abs. 5 S. 5 InvStG in der Feststellungserklärung den steuerpflichtigen fiktiven Veräußerungsgewinn selbst zu ermitteln. Für die Feststellungserklärung gelten die für Steueranmeldungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend (§ 56 Abs. 5 S. 7 InvStG).
Die Zuständigkeit obliegt dem für die Besteue...