Christoph Tillmanns, Dr. Manuel Schütt
Der Fall
Der Kläger war im Jahr 2019 in der Zeit ab dem 24.8.2019 an 68 Kalendertagen arbeitsunfähig erkrankt und im Jahr 2020 an weiteren 42 Kalendertagen. Die Beklagte leistete bis zum 13.8.2020 Entgeltfortzahlung. Der Kläger klagte nun auf Entgeltfortzahlung für weitere 10 Arbeitstage für den 18.8.2020 bis zum 23.9.2020. Es habe keine Fortsetzungserkrankung vorgelegen.
Die Klage hatte vor dem BAG keinen Erfolg.
Das BAG führte als Begründung aus, dass eine abgestufte Beweislast gelte, wenn Beschäftigte innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG länger als 6 Wochen an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert seien. Die Beschäftigten müssten dann, jedenfalls soweit sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dazu keine Angaben entnehmen ließen, darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung bestehe, z. B. durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung. Wenn dann jedoch der Arbeitgeber bestreite, dass eine neue Erkrankung vorliege, genüge die bloße Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nicht mehr. Stattdessen sind dann Tatsachen vorzutragen, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung bestanden. Es muss dann vom Arbeitnehmer bezogen auf den gesamten maßgeblichen Zeitraum geschildert werden, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden mit welchen Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit bestanden hätten und es müssen die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbunden werden. Die Folgen der Nichterweislichkeit einer Fortsetzungserkrankung trage dann wiederum der Arbeitgeber.
Die Mitteilung der Krankenkasse zum (Nicht-)Vorliegen von Fortsetzungserkrankungen ermöglicht keine dem Justizgewährungsanspruch genügende Kontrolle, da diese Mitteilung an den Arbeitgeber weder diesen noch die Arbeitsgerichtsbarkeit binde und auch keinerlei Beweiswert entfalte.
Das Urteil stellt für Arbeitgeber eine erhebliche Erleichterung dar, da das BAG ihnen im Rahmen des Beweises bzw. der Beweislastverteilung im Hinblick auf Fortsetzungserkrankungen umfassendere Rechte gewährt. Dies ist insoweit von Bedeutung, als in der Praxis der Arbeitgeber grundsätzlich nur die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhält, welche grundsätzlich eine hohe Beweiskraft entfaltet, und er i. d. R. keine Angaben zu Krankheiten bzw. der Krankheitsursache hat.
Insoweit können Arbeitgeber im Einzelfall aufgrund vorangegangener Erkrankungen so lange eine Fortsetzungserkrankung vermuten und eine Entgeltfortzahlung über insgesamt 6 Wochen hinaus verweigern, bis der Arbeitnehmer einen so detaillierten Vortrag leistet, dass eine Fortsetzungserkrankung ausgeschlossen werden kann.