0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist durch das RRG 1992 v. 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261) mit Wirkung zum 1.1.1992 eingefügt worden. Durch das SGB VI-ÄndG v. 15.12.1995 (BGBl. I S. 1824) erhielt § 305 zum 1.1.1996 die nunmehr geltende Fassung.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Norm, die eine Sonderregelung i. S. v. § 300 Abs. 5 darstellt, enthält nach dem Willen des Gesetzgebers eine Besitzschutzregelung zugunsten von Versicherten, die die für eine Rente erforderliche Wartezeit vor einer Gesetzesänderung erfüllt hatten (BT-Drs. 11/4124, S. 207). Eines Vertrauensschutzes bedarf es auch dann, wenn sonstige zeitliche Voraussetzungen geändert werden. Deshalb ist das Vorliegen einer sonstigen zeitlichen Anspruchsvoraussetzung der Wartezeiterfüllung gleichgestellt worden. Seither stellt § 305 in beiden Fällen sicher, dass bereits entstandene Ansprüche nicht dadurch untergehen, dass die Wartezeit oder eine sonstige zeitliche Voraussetzung durch den Gesetzgeber nachträglich zu Ungunsten des Versicherten verändert wird. Entsprechend dem Gedanken des Besitzschutzes ist § 305 auch dann anzuwenden, wenn zwar keine die eigentlichen wartezeitrechtlichen bzw. die sonstigen zeitlichen Voraussetzungen betreffenden Vorschriften geändert werden, jedoch eine Änderung von Normen erfolgt, die unmittelbar die Zeiten betreffen, auf denen die Anrechnung beruht. Die Vorschrift hat nicht nur Bedeutung für die zum 1.1.1992 eingetretenen Rechtsänderungen, sondern gilt auch für nach diesem Zeitpunkt erfolgte bzw. erfolgenden Rechtsänderungen. Insofern ist § 305 Dauerrecht.
2 Rechtspraxis
Rz. 3
Da gemäß § 300 Abs. 1 grundsätzlich immer neues Recht zur Anwendung kommen muss, bestimmt die Vorschrift für bereits laufende Renten, dass diese auch dann uneingeschränkt weiter zu gewähren sind, wenn die Vorschriften über die Wartezeit oder eine sonstige zeitliche Voraussetzung verschärft werden. Damit stellt § 305 eine Sonderregelung zu §§ 50 bis 53, 245 dar. Denn es wird zugunsten des Versicherten die Erfüllung der Wartezeit sowie der sonstigen zeitlichen Voraussetzungen fingiert, wenn diese vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts erfüllt waren und nach altem Recht ein Rentenanspruch bestand. Die Fiktionen gelten auch dann, wenn der Rentenanspruch vor dem 1.1.1992 entfallen war. Weiter ist es für das Eingreifen der Fiktion ausreichend, wenn das Stammrecht für die Rente bestand, also die Rente gewährt worden wäre, wenn der Versicherte einen entsprechenden Antrag gestellt hätte. Allein die Erfüllung der Wartezeit ist jedoch so lange nicht ausreichend, als das Stammrecht für die Rente nicht bestand (a. A. Löschau, in: Löschau, SGB VI, § 305 Rz. 6 f., der aus dem Rentenbeginnprinzip ableitet, dass ein konkret entstandener Einzelanspruch bestehen muss). Zur Anwendung kommen kann die Vorschrift hinsichtlich der Fiktion der Wartezeit etwa dann, wenn ein Anspruch auf flexibles Altersruhegeld vor Januar 1992 wegen der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen entfallen war, die 35-jährige Wartezeit für eine Altersrente nach dem SGB VI nunmehr nur deshalb nicht erfüllt wird, weil die schulische Ausbildungszeit nach Streichung von § 252 Abs. 4 keine Anrechnung mehr ermöglicht. Nach Auffassung der Rentenversicherungsträger gilt § 305 auch für Rechtsänderungen im über- und zwischenstaatlichen Recht, die zumindest mittelbar Auswirkung auf die Wartezeit etc. haben.
Rz. 4
Aufgrund der Erweiterung durch das SGB VI-ÄndG ist auch die Erfüllung sonstiger zeitlicher Voraussetzungen vom Besitzschutz erfasst. Dies war deshalb erforderlich, weil durch das gleiche Gesetz der Anspruch auf bestimmte Leistungen nicht nur davon abhängig gemacht worden ist, dass bestimmte Beitragszeiten vorliegen, sondern vielmehr eine bestimmte Anzahl von Pflichtbeiträgen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes erforderlich ist (z. B. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 53 Abs. 1 und 2, § 241 Abs. 1).
Rz. 5
Der Besitzschutz erfasst aber nur Änderungen in den rechtlichen Verhältnissen. Werden Wartezeiten oder sonstige zeitliche Voraussetzungen für eine Rente wegen Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse nicht mehr erfüllt, greift die Besitzstandsschutzregelung des § 305 nicht.