a) Grundsatz
Die Restnutzungsdauer ergibt sich grundsätzlich aus der Gesamtnutzungsdauer lt. Anlage 22 zum BewG abzgl. dem Gebäudealter am Bewertungsstichtag (§ 185 Abs. 3 Satz 3 BewG). Das Gebäudealter ergibt sich durch Abzug des Baujahres vom Jahr des Bewertungsstichtags (§ 185 Abs. 3 Satz 4 BewG). Die Vereinfachungsregelung aus R B 185.3 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2019 wurde ins Gesetz aufgenommen.
Die Restnutzungsdauer eines noch nutzbaren Gebäudes beträgt – weiterhin – mindestens 30 % der Gesamtnutzungsdauer (§ 185 Abs. 3 Satz 6 BewG).
b) Ausnahme: Verlängerung und Verkürzung der Restnutzungsdauer
Sind nach Bezugsfertigkeit des Gebäudes Veränderungen eingetreten, die die Restnutzungsdauer wesentlich verlängern, ist von einer entspr. längeren Restnutzungsdauer auszugehen (§ 185 Abs. 3 Satz 5 BewG). Der Begriff "wesentlich" ist gesetzlich nicht definiert.
Laut der Gesetzesbegründung führen insb. Modernisierungsmaßnahmen zu einer wesentlichen Verlängerung der Restnutzungsdauer, wenn die Maßnahmen nach dem Modell der Anlage 2 zur ImmoWertV zu einem überwiegenden oder umfassenden Modernisierungsgrad führen (BR-Drucks. 457/22, 135). Das Modell der Anlage 2 zur ImmoWertV ähnelt dem Punktesystem aus R B 185.3 Abs. 4 ErbStR 2019:
Modernisierungselemente |
Punkte |
Dacherneuerung inklusive Verbesserung der Wärmedämmung |
4 |
Modernisierung der Fenster und Außentüren |
2 |
Modernisierung der Leitungssysteme (Strom, Gas, Wasser, Abwasser) |
2 |
Modernisierung der Heizungsanlage |
2 |
Wärmedämmung der Außenwände |
4 |
Modernisierung von Bädern |
2 |
Modernisierung des Innenausbaus, z.B. Decken, Fußböden, Treppen |
2 |
wesentliche Verbesserung der Grundrissgestaltung |
2 |
Gemäß R B 185 Abs. 4 ErbStR 2019 liegt eine überwiegende Modernisierung bei 14 bis 16 und eine umfassende ab 18 Punkten vor. Das Modell der ImmoWertV sieht eine überwiegende Modernisierung bereits ab 11 Punkten als gegeben an. Nach dem Willen des Gesetzgebers dürften für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023 bereits 11 Modernisierungspunkte zu einer verlängerten Restnutzungsdauer führen.
Hinsichtlich des Betrachtungszeitraumes für die durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen bleiben die Verwaltungsanweisungen abzuwarten. Nach R B 185.3 Abs. 4 Satz 1 ErbStR 2019 sind Maßnahmen zu berücksichtigen, die innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Bewertungsstichtag durchgeführt wurden. Das Modell der ImmoWertV stellt auf die letzten 20 Jahre vor dem Bewertungsstichtag ab (s. II. 3. zu Anlage 2 ImmoWertA-E v. 22.12.2021).
Eine Verkürzung der Restnutzungsdauer kommt nur noch bei bestehender Abbruchverpflichtung in Betracht. R B 185.3 Abs. 5 ErbStR 2019 wurde in das BewG übernommen. Bei bestehender Abbruchverpflichtung ist die Restnutzungsdauer auf den Unterschiedsbetrag zwischen der tatsächlichen Gesamtnutzungsdauer und dem Alter des Gebäudes am Bewertungsstichtag zu begrenzen. Die Mindest-Restnutzungsdauer kann in derartigen Fällen unterschritten werden (§ 185 Abs. 3 Satz 7 BewG).