Das finanzmathematische Verfahren ist anzuwenden, wenn kein (geeigneter) Erbbaurechtskoeffizient vom Gutachterausschuss vorliegt (§ 193 Abs. 2 Satz 1 BewG).
aa) Verfahrensablauf
bb) Erbbaurechtsfaktoren (§ 193 Abs. 2 BewG)
Erbbaurechtsfaktoren geben das Verhältnis zwischen dem Wert des Erbbaurechts und dem finanzmathematischen Wert des Erbbaurechts an (§ 22 Abs. 2 Satz 1 ImmoWertV). Sie sind aus geeigneten Kaufpreisen (§ 12 Abs. 3 ImmoWertV) und den diesen Kaufpreisen entspr. finanzmathematischen Werten zu ermitteln (§ 22 Abs. 3 ImmoWertV). Vorrangig sind Erbbaurechtsfaktoren des Gutachterausschusses anzuwenden (§ 193 Abs. 2 Satz 2 BewG). Liegt kein (geeigneter) Erbbaurechtsfaktor des Gutachterausschusses vor, gilt der Faktor 1,0 (§ 193 Abs. 2 Satz 3 BewG).
cc) Zinssätze für die Kapitalisierung (§ 193 Abs. 4 BewG)
Der Unterschiedsbetrag aus dem angemessenen Verzinsungsbetrag des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks und dem vereinbarten jährlichen Erbbauzins ist zu kapitalisieren. Getreu dem Grundsatz der Modellkonformität ist für die Kapitalisierung der Zinssatz zu verwenden, den der Gutachterausschuss bei der Ableitung des Erbbaurechtsfaktors zugrunde gelegt hat. Stehen keine entspr. Zinssätze vom Gutachterausschuss zur Verfügung, gelten die folgenden (§ 193 Abs. 4 Satz 3 BewG):
Grundstücksart |
Zinssatz |
Ein- und Zweifamilienhäuser und Wohnungseigentum, das wie Ein- und Zweifamilienhäuser gestaltet ist |
2,5 % |
Mietwohngrundstücke und Wohnungseigentum, das nicht wie Ein- und Zweifamilienhäuser gestaltet ist |
3,5 % |
gemischt genutztes Grundstück mit einem gewerblichen Anteil von bis zu 50 % |
4,5 % |
gemischt genutztes Grundstück mit einem gewerblichen Anteil von mehr als 50 % |
5,0 % |
Geschäftsgrundstücke und Teileigentum |
6,0 % |
dd) Berücksichtigung von nicht zu entschädigenden Wertanteilen von Gebäuden (§ 193 Abs. 5 BewG)
Ein bei Ablauf des Erbbaurechts nicht (vollständig) zu entschädigender Gebäudewert mindert den finanzmathematischen Wert des Erbbaurechts (§ 193 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 BewG). Die Regelung entspricht im Kern § 193 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 194 Abs. 4 BewG a.F.
Auf den Zeitpunkt des Ablaufs des Erbbaurechts ist die Differenz aus dem Wert des Grundstücks nach den §§ 179, 182 bis 191 und 196 BewG und dem Bodenwert nach § 179 BewG zu ermitteln. Hierbei ist die Restnutzungsdauer des Gebäudes bei Ablauf des Erbbaurechts zugrunde zu legen. Die Differenz ist nach Maßgabe der Anlage 26 zum BewG auf den Bewertungsstichtag abzuzinsen. Der abgezinste Wertansatz ist mit dem nicht zu entschädigenden Wertanteil zu multiplizieren und bei der Ermittlung des finanzmathematischen Werts wertmindernd anzusetzen.
(1) Regelungen bei der Verkehrswertermittlung
Für die Verkehrswertermittlung enthält § 50 Abs. 2 Satz 2 ImmoWertV eine zunächst vergleichbare Regelung. Bei einer, über die Restlaufzeit des Erbbaurechts hinausgehenden, Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen ist bei der Ermittlung des finanzmathematischen Werts des Erbbaurechts der, bei Zeitablauf nicht zu entschädigende, Wertanteil der baulichen Anlagen abzuzinsen und abzuziehen. § 50 Abs. 2 Satz 2 ImmoWertV ist inhaltsgleich mit Nr. 4.3.2.2.2 Abs. 3 bis 6 der WertR 2006 (BR-Drucks. 407/21, 125). Der Wert mindert sich, wenn
- die Restnutzungsdauer des Gebäudes die Restlaufzeit des Erbbaurechts übersteigt und
- das Gebäude nicht (vollständig) zu entschädigen ist.
Im Rahmen der Wertermittlung werden daher zwei Fallkonstellationen unterscheiden:
- Restlaufzeit des Erbbaurechts ≥ Restnutzungsdauer des Gebäudes
- Restlaufzeit des Erbbaurechts < Restnutzungsdauer des Gebäudes
(s. u.a. Kröll/Hausmann/Rolf, Rechte und Belastungen in der Immobilienbewertung, 5. Aufl. 2015, Kap. 2 Rz. 131; Tillmann/Seitz, Wertermittlung von Erbbaurechten und Erbbaugrundstücken, 2020, S. 174). Erstgenannte Fallkonstellation ist in der Praxis häufig anzutreffen (s.a. Tillmann/Seitz, Wertermittlung von Erbbaurechten und Erbbaugrundstücken, 2020, S. 174). Ist die Restnutzungsdauer des Gebäudes am Bewertungsstichtag kürzer als die oder gleich der Restlaufzeit des Erbbaurechts, ergibt sich keine Wertminderung für das Erbbaurecht.
Bei der zweiten Konstellation ist der finanzmathematische Wert zu mindern, wenn der verbleibende Gebäudewert nicht (vollständig) zu entschädigen ist.
(2) BewG weicht von Verkehrswertermittlung ab
Im BewG wird auf die Prüfung verzichtet, ob die Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen die Restlaufzeit des Erbbaurechts übersteigt. Nach § 193 Abs. 5 BewG ist grundsätzlich ein Gebäudewert zu ermitteln. Hintergrund sind die Regelungen...