Mit § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6c S. 1 EStG...: Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Tagespauschale ist nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6c S. 1 EStG, dass der Steuerpflichtige seine betriebliche oder berufliche Tätigkeit an dem jeweils zum Ansatz gebrachten Kalendertag "überwiegend in der häuslichen Wohnung ausgeübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegene erste Tätigkeitsstätte aufgesucht" hat.

... erfolgt begrüßenswerte Klarstellung: Mit dieser nunmehrigen Gesetzesfassung hat der Gesetzgeber eine nach hier vertretener Ansicht begrüßenswerte Klarstellung vorgenommen. Die unter Wertungsgesichtspunkten zumindest im Ansatz problematische bisherige Gesetzesfassung, wonach die ausschließliche Tätigkeitsausübung in der häuslichen Wohnung vorgeschrieben war und das Aufsuchen einer außerhalb der häuslichen Wohnung belegenen (beliebigen) Betätigungsstätte steuerschädlich wirken sollte, ist somit revidiert.[24]

Nach der Gesetzesbegründung soll das Merkmal der überwiegenden Tätigkeitsausübung in zeitlicher Hinsicht einen Anteil von mehr als der Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Tages erfordern.[25] Ob i.R.d. Beurteilung

  • ausschließlich auf ein zeitliches Element abzustellen ist,[26] oder
  • ob im Einzelfall daneben auch ein qualitatives Element Berücksichtigung finden kann,

erscheint offen.

Unklar erscheint im Übrigen, ob das in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6c S. 1 EStG enthaltene Erfordernis einer überwiegenden Tätigkeitsausübung in der häuslichen Wohnung gleichsam in den Fällen des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6c Satz 2 EStG Beachtung fordert.[27] In Anbetracht der äußeren Tatbestandssystematik erscheint eine dahingehende Interpretation äußerst fraglich, und auch unter Bezugnahme auf die hinter der Vorschrift zu vermutenden Wertungsgesichtspunkte (s.o.) ist eine insoweit strenge Auslegung keinesfalls indiziert. Die letztlich maßgebliche Orientierung an der gesetzlichen Textfassung lässt insofern vermuten, auch ein nur kurzfristiges Tätigwerden in der häuslichen Wohnung berechtige den Steuerpflichtigen unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6c S. 2 EStG zur Inanspruchnahme der Tagespauschale, wenngleich diese Lesart mit der ursprünglichen gesetzgeberischen Intention womöglich nicht im Einklang stehen mag.[28]

Beraterhinweis Die verbleibenden Auslegungsfragen im Hinblick auf das unbestimmte Tatbestandsmerkmal der überwiegenden Tätigkeitsausübung sind hinzunehmen und auch insoweit einer künftigen Konkretisierung durch Rechtsprechung und Literatur anzuvertrauen.

[24] Vgl. hierzu ausführlich Drüen in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, EStG, § 4 Rz. 868b und 868d (Nov. 2022); Müller, DStR 2021, 1079 (1081 ff.).
[25] Vgl. BT-Drucks. 20/3879, 77.
[26] So tendenziell wohl Grotherr, NWB 2023, 172 (181 f.); Seifert, StuB 2023, 74 (77).
[27] Dies verneinend Seifert, StuB 2023, 74 (77 f.); Janitzky (https://www.rehm-verlag.de/lohnsteuerrecht/blog-lohnsteuerrecht/das-jahressteuergesetz-2022/[zuletzt abgerufen am 9.1.2023]); a.A. demgegenüber explizit Grotherr, NWB 2023, 172 (187); Gummels, AK 2023, 52; offenbar ebenfalls BC 2023, 4.
[28] Hiergegen spricht insb. das in BT-Drucks. 20/3879, 77 genannte Beispiel ("Der Steuerpflichtige kann für diesen Tag sowohl Reisekosten für die Fahrt [...] als auch die Tagespauschale abziehen, wenn die Arbeit überwiegend in der häuslichen Wohnung ausgeübt wurde, d.h. mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit des Tages beträgt.").

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