Bereits auf den ersten Blick zeigt sich die tatbestandliche Umstrukturierung besonders auffällig daran, dass der Gesetzgeber die Regelungen zum häuslichen Arbeitszimmer auf der einen Seite und zur Pauschalierung auf der anderen Seite nunmehr einer klaren äußerlichen Trennung unterwirft:
- während in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG n.F. – nach wie vor – das häusliche Arbeitszimmer beheimatet ist,
- wurden die Vorschriften über die pauschalierten Abzugsmöglichkeiten im Unterschied zur bisherigen Gesetzesfassung nunmehr in den neugeschaffenen § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6c EStG ausgegliedert.
In inhaltlicher Hinsicht hält die gesetzliche Neufassung teils Altbekanntes, teils Neugeschaffenes bereit. Im Ausgangspunkt unverändert sind
- die Beibehaltung eines grundsätzlichen Abzugsverbots sowie
- die für einen (vollständigen) Abzug weiterhin herausragende Bedeutung des Betätigungsmittelpunktes.
Beachten Sie: Demgegenüber präsentiert sich das Tatbestandsmerkmal der (Nicht-)Verfügbarkeit eines anderen Arbeitsplatzes funktionell in einem neuen Gewand und bildet somit den Dreh- und Angelpunkt der regelungssystematischen Neuausrichtung.
1. Die tatbestandliche Ausgestaltung vor Inkrafttreten des JStG 2022
a) Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer
Für die Berücksichtigungsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer kam der (Nicht-) Verfügbarkeit eines außerhäuslichen Arbeitsplatzes nach der bisherigen Gesetzesfassung regelmäßig eine ausschlaggebende Bedeutung zu.
Nach der gesetzlichen Systematik unterliegen Aufwendungen betreffend das häusliche Arbeitszimmer – nach wie vor – einem grundsätzlichen Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 1 EStG.
"... kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand": Von diesem Grundsatz war nach bisheriger Gesetzeslage nur dann ausnahmsweise abzuweichen, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildete oder wenn dem Steuerpflichtigen für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2 EStG a.F.). Abgesehen von den sog. "Mittelpunktsfällen" brachte mithin erst die mangelnde Verfügbarkeit eines anderen Arbeitsplatzes den Genuss einer steuerlichen Anerkennung mit sich. Dahinter stand die Erwägung, ein steuerlicher Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sei (nur) dann gerechtfertigt, wenn der Steuerpflichtige in Ermangelung eines anderweitigen Arbeitsplatzes zum Zwecke der Erwerbstätigkeit auf das Arbeitszimmer angewiesen sei (Gedanke der Erforderlichkeit des Arbeitszimmers).
In diesem Fall war dem Steuerpflichtigen der Abzug der entstandenen Aufwendungen
- zwar dem Grunde nach gestattet,
- vom Umfang her allerdings zunächst begrenzt auf einen Betrag i.H.v. bis zu 1.250 EUR.
Die vollständige Berücksichtigung der tatsächlich entstandenen Aufwendungen unterlag der weiteren Voraussetzung, dass das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildete.
b) Homeoffice-Pauschale
Im Hinblick auf die Gewährung der sog. Homeoffice-Pauschale kam der Verfügbarkeit eines außerhäuslichen Arbeitsplatzes demgegenüber von vornherein keinerlei Bedeutung zu.
Der Abzug war nach bisheriger Gesetzesfassung insofern bereits dann eröffnet, wenn der Steuerpflichtige seine betriebliche oder berufliche Tätigkeit ausschließlich in der häuslichen Wohnung ausgeübt und keine außerhalb der häuslichen Wohnung belegene Betätigungsstätte aufgesucht hat (vgl. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 4 EStG a.F.). Ob dem Steuerpflichtigen außerhalb des jeweiligen Tages, für den er die Pauschale zum Abzug brachte, ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand, war ohne jegliche Relevanz.
2. Die tatbestandliche Ausgestaltung seit Inkrafttreten des JStG 2022
Das JStG 2022 hat im Hinblick auf die vorgenannte Rechtslage deutliche Neuerungen mit sich gebracht. Künftig kommt der Verfügbarkeit eines anderen Arbeitsplatzes eine dogmatisch vollkommen andere Funktion zu.
Anders als nach der bisherigen Gesetzesfassung erlaubt § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2 EStG n.F. den Abzug für Aufwendungen im Hinblick auf das Arbeitszimmer – ausnahmsweise – nur noch dann, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.
Daraus folgt im Unterschied zum bisher geltenden Recht zunächst eine Verschärfung insoweit, als dass die bloße Nichtverfügbarkeit eines anderen Arbeitsplatzes für die (wenngleich betragsmäßig auf 1.250 EUR begrenzte) steuerliche Anerkennung eines "vol...