Joachim Kuhni, Dipl.-Finanzwirt (FH) Andreas Willner
Zusammenfassung
Dieser Beitrag informiert darüber, welche Besonderheiten es bei der Kassenführung in der bargeldintensiven Gastronomiebranche gibt, z. B. wie sich die Betriebsprüfung gewandelt hat, weshalb die offene Ladenkasse noch genutzt werden kann, was hinsichtlich von Bewirtungsbelegen beachtet werden muss. Außerdem wird detailliert auf die Einzelaufzeichnungspflicht und die Kassen-Nachschau eingegangen.
§§ 238 ff. Handelsgesetzbuch (HGB)
§§ 140 ff. Abgabenordnung (AO)
Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen (GSchuMadiG) v. 22.12.2016 ("Kassengesetz")
BMF, Schreiben v. 28.11.2019, IV A4 – S 0316/19/10003:001 (GoBD – Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form und zum Datenzugriff)
Kassensicherungsverordnung v. 26.9.2017 (KassenSichV – Verordnung zur Bestimmung der technischen Anforderungen an elektronische Aufzeichnungs- und Sicherungssysteme im Geschäftsverkehr) i. d. F. v. 30.7.2021
Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 146 AO
Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 146b AO
Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 146a AO
BMF, Schreiben v. 6.11.2019, IV A4 – S 0319/19/10002:001 (Nichtbeanstandungsregelung bei Verwendung elektronischer Aufzeichnungssysteme i. S. d. § 146a AO ohne zertifizierte Sicherheitseinrichtung nach dem 31.12.2019)
BMF, Fragen- und Antwortenkatalog (FAQ) Orientierungshilfe für die Anwendung des § 146a AO und der KassenSichV
BMF, Schreiben v. 30.6.2020, III C 2 – S 7030/20/10009 :004 (Befristete Absenkung des allgemeinen und ermäßigten Umsatzsteuersatzes)
BMF, Schreiben v. 2.7.2020, III C 2 – S 7030/20/10006 :006 (Befristete Anwendung des ermäßigter Umsatzsteuersatzes für Restaurations- und Verpflegungsdienstleistungen zum 1.7.2020); Verlängerung durch BMF-Schreiben v. 3.6.2021 und v. 21.11.2022, III C 2 – S 7030/20/10006 :006
BFH, Urteil v. 16.9.2021, IV R 34/18
FG Hamburg, Urteil v. 29.8.2017, 2 K 238/16
FG Baden-Württemberg, Urteil v. 12.6.2018, 8 K 501/17
1 Die Kassenführung – ein wesentlicher Bestandteil der Buchführung in der Gastronomiebranche
Technische Sicherheitseinrichtung (TSE) und Zertifikat
Seit 1.4.2021 dürfen nur noch Kassen mit sog. TSE-Zertifizierung verwendet werden. Auch eine Nachrüstung alter Kassen musste bis zu diesem Zeitpunkt durchgeführt worden sein. Nicht nachrüstbare Kassen, welche nach dem 25.11.2010 und vor dem 1.1.2020 angeschafft wurden, durften bis zum 31.12.2022 weiter genutzt werden. Weitere Voraussetzung war, dass diese Kassen die "Anforderungen des BMF-Schreibens vom 26.11.2010 erfüllten" (= Einzelspeicherung der Beträge, keine Verdichtungen).
Die Mitteilungspflicht, wonach TSE-Kassen beim Finanzamt (auf elektronischem Wege, ggf. per Elster) angemeldet werden müssen, bleibt weiterhin ausgesetzt. Der Zeitpunkt für den Beginn der Mitteilungspflicht wird im Bundessteuerblatt veröffentlicht.
Einen ganz besonderen Stellenwert im Rahmen der gesamten Buchhaltung hat die Kassenführung. Insbesondere bei Betrieben in denen – wie bei Gastronomiebetrieben – überwiegend Bargeld fließt, ist sie als Hauptbestandteil einer Buchführung entscheidend für die Beurteilung ihrer Ordnungsmäßigkeit verantwortlich.
1.1 Die Gastronomie und ihr schlechter Ruf
Neben dem Einzelhandel zählt nicht zuletzt die Gastronomie zu den klassischen bargeldintensiven Branchen. Rund 183.000 Gastronomiebetriebe erwirtschaften jedes Jahr 55 Milliarden EUR. Das meiste davon bar. Während Gasthäuser und Restaurants nach Angaben der Bundesbank 70 % Bargeld vereinnahmen, liegt der Anteil bei Schnellrestaurants, Imbissstuben und Cafés sogar bei 94 %. Sicherlich mit ein Grund dafür, warum gerade Gastronomen immer wieder ins steuerliche Zwielicht geraten.
Dass sowohl der Bundesrechnungshof als auch die Finanzverwaltung und die Gerichte diesen Wirtschaftszweig zur Hochrisikobranche erklärt haben, lässt sich zum einen mit den einschlägigen Prüfungserfahrungen der Vergangenheit begründen, noch mehr aber wird der ständige Umgang mit Barem als Hauptursache hierfür genannt. Für die hohen Steuerausfälle wird überwiegend die Gastronomiebranche verantwortlich gemacht. Dabei gibt es genügend andere Unternehmenszweige, in denen ebenfalls fast ausschließlich bar bezahlt wird.
Immer wenn reichlich Bargeld fließt, menschelt es. Der schnelle Griff in die Kasse ist eine große Verlockung. Nicht alle können einer solchen Verlockung widerstehen. Bargeld soll bekanntlich der Steuerhinterziehung Tür und Tor öffnen. Warum werden solche Floskeln eher mit den Gaststätten in Verbindung gebracht? Ist davon nicht der gesamte Einzelhandel betroffen? Die Konkurrenz schläft auch in anderen Branchen nicht.
Immer wieder wird das Rauchverbot in Kneipen oder der Mindestlohn angeführt, die die Existenz von zahlreichen kleineren Betrieben massiv gefährden sollen. Um ein Überleben dennoch zu sichern, muss zwangsläufig an einer anderen Schraube gedreht werden. Davon sind einige überzeugt.
Dass es sich bei derartigen Aussagen nicht nur um bloße Behauptungen oder Annahmen handelt, belegen zahlreiche gesicherte Erkenntn...