Leitsatz
Die nach dem Jahreswert von Renten, anderen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen erhobene Erbschaftsteuer (§ 23 ErbStG) ist nicht als dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG) abziehbar.
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 12 Nr. 3, § 35 a.F. EStG, § 23 ErbStG
Sachverhalt
Die Klägerin erzielte aufgrund eines Nießbrauchs Einkünfte aus VuV. Das Nießbrauchsrecht, aufgrund dessen sie monatliche Erbbauzinsen i.H.v. rd. 10 000 EUR erhält, steht der Klägerin seit dem Tod ihres Ehemanns zu. Der Jahreswert des Nießbrauchsrechts betrug zu diesem Zeitpunkt 123 447 EUR, sein Kapitalwert 1 546 761 EUR. Die Klägerin wählte nach § 23 ErbStG die Versteuerung nach dem Jahreswert des Nießbrauchsrechts. Im Rahmen der ESt-Erklärung beantragte sie, die im Streitjahr 2004 gezahlte Erbschaftsteuer als Sonderausgaben abzuziehen.
Das FA lehnte dies ab. Das FG hat die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage abgewiesen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 12.06.2008, 11 K 312/06, Haufe-Index 2048866, EFG 2008, 1697).
Entscheidung
Der BFH hat das finanzgerichtliche Urteil aus den oben dargestellten Gründen bestätigt.
Hinweis
Die Doppelbelastung des Einkommens mit ESt und Erbschaftsteuer bereitet immer wieder Probleme. Die Rechtslage in Bezug auf das Zusammentreffen der beiden Steuerarten hat sich innerhalb von 10 Jahren zweimal grundlegend geändert. Bis 1998 sah § 35 EStG a.F. eine Ermäßigung der ESt bei Belastung mit Erbschaftsteuer vor. Diese Regelung wurde durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 ab dem Veranlagungszeitraum 1999 abgeschafft, um durch das Erbschaftsteuerreformgesetz als § 35b EStG mit Wirkung ab 2009 fast wort- und sinngleich wieder eingeführt zu werden.
Gehören zum Erwerb von Todes wegen wiederkehrende Bezüge, hat der Erwerber nach § 23 ErbStG ein Wahlrecht, die ErbSt nicht nach dem Kapitalwert der Bezüge, sondern jährlich nach dem Jahreswert der Bezüge zu entrichten. Ob die jährlich zu zahlende Erbschaftsteuer als dauernde Last i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehbar ist, ist umstritten. Bis zum Veranlagungszeitraum 2004 hatte die Finanzverwaltung den Sonderausgabenabzug generell zugelassen (vgl. H 87 "Erbschaftsteuer"EStH). Seit H 10.3 EStH 2005 ist der entsprechende Passus jedoch entfallen.
Der BFH hat mit diesem Urteil entschieden, dass die Erbschaftsteuer als Personensteuer nach § 12 Nr. 3 EStG nicht abzugsfähig ist – gleichgültig, ob sie als Sofort- oder als Jahressteuer gem. § 23 ErbStG geleistet wird. Würde man nämlich die Abziehbarkeit der Jahressteuer gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG bejahen, käme es zu einem Verstoß gegen Art. 3 GG im Verhältnis zur steuerlichen Behandlung der Erbschaftsteuer, die sofort geleistet werde und die nicht abziehbar sei. Es gelte der Grundsatz, dass eine als Einmalzahlung nicht steuerbare bzw. abziehbare Leistung auch durch eine zeitliche Streckung weder steuerbar noch abziehbar werde.
Die Nichtabziehbarkeit der Jahressteuer gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG verstößt nach Auffassung des BFH nicht gegen Verfassungsrecht. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Besteuerungsgegenstände von ESt und Erbschaftsteuer sei die kumulative Belastung mit Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht verfassungswidrig, da kein Verfassungssatz des Inhalts bestehe, dass alle Steuern aufeinander abgestimmt sein müssten, also etwa keine Lücken entstehen dürften bzw. mehrfache Belastungen vermieden werden müssten.
Dieses Urteil wird die Steuerpflichtigen enttäuschen, die sich aufgrund der – vermuteten – Abziehbarkeit der Jahressteuer für eine Entrichtung der ErbSt nach dem Jahreswert und nicht für die Einmalleistung nach dem Kapitalwert entschieden hatten. Für sie besteht jedoch ab 2009 wieder die Möglichkeit, die ESt-Ermäßigung nach § 35b EStG in Anspruch zu nehmen, da die Ausnahmeregelung des § 35b S. 3 EStG nicht eingreift.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.01.2011 – X R 63/08