Leitsatz
Der Abzug von Vorsteuerbeträgen aus Reisekosten nach Pauschbeträgen setzt auch im Besteuerungszeitraum 1996 voraus, dass der Unternehmer seinem Arbeitnehmer aus Anlass einer Dienstreise im Inland Mehraufwendungen für Verpflegung nach Pauschbeträgen erstattet. Ein pauschaler Vorsteuerabzug für erstattete Aufwendungen wegen Mehrverpflegung bei Fahrtätigkeiten ist nicht zulässig.
Normenkette
§ 15 Abs. 5 Nr. 4 UStG , § 36 UStDV , § 38 UStDV , Art. 17 Abs. 1, 2 der 6. EG-RL , Art. 27 Abs. 5 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin führte Gütertransporte aus. Sie erstattete ihren Fahrern 1996 Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von lohnsteuerfreien Pauschbeträgen und machte aus den darüber angefertigten Abrechnungen sie erfolglos pauschal den Vorsteuerabzug für Dienstreisen geltend.
Die Klägerin meinte, § 4 Abs. 5 Nr. 5 und § 9 Abs. 5 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1996 stellten nur noch auf eine bestimmte Dauer der Abwesenheit von der Wohnung ab; die Merkmale einer Dienstreise müssten nicht erfüllt sein. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH entschied, die bisherige Rechtsprechung zum pauschalen Vorsteuerabzug bei erstatteten Kosten für Dienstreisen, die Streitjahre vor 1996 betrifft (BFH vom 17.2.2000, V B 144/99, BFH/NV 2000, 999 – Streitjahre 1993 und 1994; vom 17.12.1999, V B 131/99, BFH/NV 2000, 762 – Streitjahre 1989 bis 1991; vom 19.11.1999, V B 59/99, BFH/NV 2000, 760 – Streitjahre 1991 bis 1993, und vom 4.7.1995, V B 49/95, BFH/NV 1996, 187 – Streitjahre 1987 bis 1989), kann fortgeführt werden, weil der in der nationalen Regelung verwendete Begriff der Dienstreise nicht nachträglich erweitert werden darf.
Hinweis
Die vorliegende Entscheidung ist nur noch für Altfälle vor dem 1.4.1999 von Bedeutung, denn es geht um die pauschale Erstattung von Arbeitnehmer-Verpflegungsaufwand. Für eine pauschale Regelung fehlte ohnehin eine EG-rechtliche Grundlage. Insoweit ist es ohne Belang, dass der BFH den Vorsteuerausschluss für bestimmte Reisekosten als nicht EG-konform eingestuft hat (BFH, Urteil vom 23.11.2000, V R 49/00, BFH-PR 2001, 26).
Leistungen, die an einen Arbeitnehmer im Rahmen der Tätigkeiten für seinen Arbeitgeber bewirkt werden, werden nicht an den Arbeitgeber ausgeführt, selbst wenn die damit verbundenen Kosten vom Arbeitgeber erstattet werden (EuGH, Urteil vom 8.11.2001, Rs. C-338/98, Kommission/Niederlande, UR 2001, 544).
Es geht um die pauschale Erstattung von Verpflegungsaufwand der Arbeitnehmer. Ein Vorsteuerabzug des Unternehmers scheidet deshalb aus. Die Bundesrepublik hatte von einer nach Art. 27 Abs. 5 der 6. EG-RL genehmigten Sondermaßnahme Gebrauch gemacht – aber nur für die Erstattung von Dienstreisekosten. Bis 1.4.1999 konnte nach § 15 Abs. 5 Nr. 4 UStG 1993 i.V.m. §§ 36 ff. UStDV der Unternehmer, der seinem Arbeitnehmer aus Anlass einer Dienstreise im Inland Aufwendungen u.a. für Übernachtung oder die Mehraufwendungen für Verpflegung nach Pauschbeträgen erstattet hat, die dort genannten Vorsteuerbeträge abziehen, wenn er dies ordnungsgemäß belegt hatte (§ 36 Abs. 5 Nr. 1 UStDV 1993).
Der Begriff der Dienstreise war nach den für die Lohnsteuer geltenden Merkmalen abzugrenzen (§ 38 UStDV). Diese Regelungen gibt es seit 1.4.1999 nicht mehr.
Als Rechtsgrundlage für diese von Art. 17 der 6. EG-RL (und § 15 UStG) abweichende Regelung galt eine Sonderermächtigung in Art. 27 der 6. EG-RL, die in § 15 Abs. 5 UStG i.V.m. §§ 36 ff. UStDV nur in Bezug auf erstatteten Reisekosten bei Dienstreisen umgesetzt worden ist. Der nationale Gesetzgeber darf zwar – wenn ihm eine von den allgemeinen Regeln der 6. EG-RL abweichende Regelung erlaubt wurde und er den Regelungsspielraum zunächst voll ausgenutzt hat – seine nationale Regelung selbst einschränken, um den Zielen der 6. EG-RL näher zu kommen; er darf aber – hat er seinen Spielraum nicht ausgeschöpft oder nachträglich eingeschränkt – nachträglich nicht wieder zurück (vgl. EuGH, Urteil vom 14.6.2001, Rs. C-40/00, Kommission/Französische Republik, UR 2001, 407, Rz. 17 ff.). Für die Einschränkung sind auch Verwaltungsvorschriften beachtlich (vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 8.1.2002, Rs. C-409/99, Metropol, UR 2002, 220, Rz. 49).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 3.4.2003, V R 88/01