Leitsatz
Hatte ein Rechtsbehelf in vollem Umfang Erfolg, können auch dann keine Aussetzungszinsen gem. § 237 AO festgesetzt werden, wenn das FA rechtsirrig einen zu hohen Betrag von der Vollziehung ausgesetzt hatte.
Normenkette
§ 237 AO
Sachverhalt
Das FA hatte im Einspruchsverfahren gegen Feststellungsbescheide (Grundlagenbescheide) antragsgemäß die Aussetzung der Vollziehung bewilligt. Bei der Berechnung des Aussetzungsbetrags im Rahmen der ESt-Bescheide (Folgebescheide) wurde ein zu hoher Betrag von der Vollziehung ausgesetzt. Im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Grundlagenbescheide obsiegte die zwischenzeitlich verstorbene Klägerin in vollem Umfang, sie musste aber dennoch wegen der überhöhten Aussetzung Nachzahlungen leisten. Hierauf setzte das FA Aussetzungszinsen gem. § 237 AO fest.
Das FG gab der Klage statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 13.11.2008, 12 K 2457/07 AO, Haufe-Index 2119679, EFG 2009, 382).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des FA zurückgewiesen. Es fehle an einer Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Zinsen, da das Rechtsbehelfsverfahren gegen die Grundlagenbescheide in vollem Umfang Erfolg gehabt habe und somit der Tatbestand des § 237 AO nicht erfüllt sei.
Hinweis
1. Die Zinstatbestände der AO bilden einen abschließenden Katalog. Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ist, soweit ein Rechtsbehelf gegen einen Steuerbescheid oder gegen eine Einspruchsentscheidung hiergegen endgültig keinen Erfolg gehabt hat, der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen.
Dies gilt entsprechend, wenn nach Einlegung eines förmlichen Rechtsbehelfs gegen einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) oder eine Rechtsbehelfsentscheidung hiergegen die Vollziehung eines Folgebescheids ausgesetzt wurde (§ 237 Abs. 1 Satz 2 AO). Auch in diesem Fall darf der Rechtsbehelf "endgültig keinen Erfolg gehabt" haben.
2. Die Frage, ob ein Rechtsbehelf Erfolg hatte, bemisst sich nach dem Verfahrensgegenstand und dem konkretisierten Rechtsbehelfsbegehren. Der Erfolg ist unabhängig von der verfahrenstechnischen Art der Erledigung. Da der Erfolg des Rechtsbehelfs entscheidend ist, sind der Umfang der AdV und der Aspekt der Verzinsung unerheblich.
Richtet sich ein Rechtsbehelfsverfahren gegen einen Grundlagenbescheid, ist für die Beurteilung der endgültigen Erfolglosigkeit i.S.d. § 237 Abs. 1 Satz 2 AOausschließlich auf das Ergebnis dieses Verfahrens abzustellen. Die sich auf der Ebene des Folgebescheids ergebenden steuerlichen Auswirkungen sind unbeachtlich.
3. Der Wortlaut des § 237 Abs. 1 AO mit dem Tatbestandsmerkmal "erfolgloser Rechtsbehelf" ist klar und eindeutig. Nach Sinn und Zweck der Norm kommt eine erweiternde Auslegung der Vorschrift nicht in Betracht. Dies hat zur Konsequenz, dass in dem Fall, in dem der Rechtsbehelf nur zu einem geringen Teil nicht erfolgreich war, Aussetzungszinsen für den gesamten zu viel ausgesetzten Betrag zu zahlen sind. Demgegenüber bleibt der Steuerpflichtige, der vollen Erfolg hatte, hinsichtlich des zu viel ausgesetzten Betrags von der Zinspflicht verschont. Der "volle Erfolg" wird gewissermaßen durch die vollständige Entbindung von der Zinspflicht "prämiert".
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 31.8.2011 – X R 49/09