Leitsatz

Die Familienkasse ist bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge eines volljährigen, kindergeldrechtlich berücksichtigungsfähigen Kindes nicht an die Einkünfteermittlung im Einkommensteuerbescheid des Kindes gebunden.

 

Sachverhalt

Der am 20. 5. 1974 geborene Sohn des Klägers war für Januar bis April 2001 als Rechtsreferendar dem Grunde nach noch kindergeldberechtigt. Da der Kläger auch im Einspruchsverfahren keine Nachweise über die Höhe der Einkünfte und Bezüge seines Sohnes vorgelegt hatte, wurde der Antrag auf Kindergeld abgelehnt. Im Klageverfahren legte der Kläger als Nachweis für die Höhe der Einkünfte und Bezüge den Einkommensteuerbescheid seines Sohnes für das Jahr 2001 vor. Nach diesem Einkommensteuerbescheid betrugen die Einkünfte 10.975 DM. Die Familienkasse hat die im Steuerbescheid 2001 anerkannten Werbungskosten als nicht nachgewiesen angesehen und die Gewährung von Kindergeld weiterhin abgelehnt.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des Finanzgerichtes steht dem Kläger das beantragte Kindergeld zu. Die Familienkasse ist bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge eines volljährigen in Ausbildung befindlichen Kindes nicht an die Einkünfteermittlung im Einkommensteuerbescheid des Kindes gebunden. Werden jedoch Werbungskosten - wie im Streitfall - nicht nachgewiesen, so kann das Gericht nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins auf den Nachweis der Werbungskosten und weitere einkunftsmindernde Ausgaben verzichten, wenn Erfahrungen darüber vorliegen, dass ein bestimmter Sachverhalt bestimmte Folgen auslöst. Unter Heranziehung dieser Grundsätze des Anscheinsbeweises steht für das Gericht fest, dass in Bayern einem Rechtsreferendar im juristischen Vorbereitungsdienst typischerweise Fahrtkosten für die Wege zwischen seinem Wohnort und dem Justizausbildungszentrum München, beim Aufsuchen seiner regelmäßigen Arbeitsstätte im juristischen Vorbereitungsdienst sowie beim Aufsuchen von diversen Bibliotheken und Repitorien entstehen. Insoweit kommt auch ohne Nachweis ein Werbungskostenabzug in Betracht.

 

Hinweis

Nach Tz. 63.4.2.2 DA FamEStG haben die Familienkassen bei der Prüfung und Anerkennung von Werbungskosten nach den Grundsätzen des § 9 EStG und der Abschnitte 33-47 LStR vorzugehen. Auch wenn eine Bindung an bei der ESt-Veranlagung des Kindes getroffene Entscheidung nicht besteht, so ist die Höhe der Werbungskosten nach gleichen Grundsätzen wie bei der Einkommensteuer vorzunehmen. Die vielfach von den Familienkassen vertretene Auffassung, Werbungskosten könnten ihr gegenüber nur durch Vorlage der Originalbelege nachgewiesen werden trifft nicht zu, da nach dem Urteil des BFH vom 24.10.1991, BStBl 1992 II S. 198 Werbungskosten bei fehlenden Belegen auch glaubhaft gemacht werden können. Da das vorstehende Urteil rechtskräftig geworden ist, sollten Betroffene in vergleichbaren Fällen gegenüber der Familienkasse unter Hinweis auf dieses Urteil auch Werbungskosten geltend machen, die nicht mehr durch Vorlage von Originalbelegen nachgewiesen aber glaubhaft gemacht werden können.

 

Link zur Entscheidung

FG München, Urteil vom 28.06.2007, 5 K 866/05

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