Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Leitsatz
Grundsätzlich schuldet ein Unternehmer nur die Umsatzsteuer für eine von ihm erbrachte Leistung. Weist aber jemand in einer Rechnung oder in einer anderen Urkunde, in der er wie ein leistender Unternehmer abrechnet, eine Umsatzsteuer gesondert aus, ohne tatsächlich eine Leistung zu erbringen, so schuldet er aus diesem Abrechnungspapier die darin ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG. Bisher hatte der BFH entschieden (BFH, Urteil v. 18.1.2001, V R 83/97, BFH/NV 2001), dass eine Steuerschuld nach § 14 Abs. 3 UStG dann nicht eintritt, wenn die Abrechnung wegen Fehlens des Nettoentgelts nicht ordnungsgemäß ist. Das FG München hat dies jetzt auch auf Rechnungen erweitert, in denen die angeblich erbrachte Leistung nicht konkret bezeichnet worden ist.
Sachverhalt
Eine GmbH überließ dem Ehemann der Geschäftsführerin Briefbögen der GmbH, damit der Ehemann zur Verschleierung erhaltener Schmiergeldzahlungen darauf Rechnungen über "Beratungsleistungen" an die Schmiergeldzahler erstellen konnte. Eine Konkretisierung der angeblich erbrachten Leistungen erfolgte in den Abrechnungen nicht. Es wurde in den Abrechnungen lediglich auf die Zeiträume (teilweise mehrfach die gleichen Quartale) verwiesen, in denen die Leistungen ausgeführt worden sein sollten. Das Finanzamt setzte die in den Abrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG als Steuerschuld der GmbH fest.
Entscheidung
Das FG München stellt grundsätzlich fest, dass die GmbH keine Umsatzsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG schuldet, da eine Leistung von ihr selber nicht erbracht wurde. Die Leistung gegenüber den Abrechnungsempfängern wurde von dem Ehemann der Geschäftsführerin erbracht. Eine Steuerschuld nach § 14 Abs. 3 UStG sah das FG München in dem vorliegenden Fall aber auch nicht. Es vertrat die Auffassung, dass unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BFH eine Steuerschuld nach § 14 Abs. 3 UStG nur dann eintreten kann, wenn das Abrechnungspapier formal ordnungsgemäß ist und damit auf der Seite des Empfängers den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG zulassen könne. Da aus den Abrechnungen nicht die Art der Beratung (keine ausreichende Konkretisierung der Leistung) zu entnehmen ist, kann nach Auffassung des FG München der Empfänger der Abrechnung mangels formaler Ordnungsmäßigkeit keinen Vorsteuerabzug geltend machen. Aus diesem Grund kann auch keine Steuerschuld nach § 14 Abs. 3 UStG begründet werden.
Hinweis
Das FG München hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung Revision gegen das Urteil zugelassen. Das FG München weist selber auf die grundlegende Problematik hin, dass eine Gefährdung des Steueraufkommens dieser Sichtweise immanent ist. Da die korrekte Leistungsbezeichnung - anders als die vom BFH entschiedene Frage der Angabe auch des Nettoentgelts in einer Abrechnung - eine auslegungsbedürftige Frage ist, kann es zu Fällen von Schein- oder Gefälligkeitsrechnungen kommen, in denen der Empfänger der Abrechnung die angegebene Leistung als ausreichend konkretisiert ansieht, der Aussteller der Abrechnung aber eine Steuerschuld nach § 14 Abs. 3 UStG wegen mangelnder Konkretisierung ablehnt. Oder anders ausgedrückt: Die Steuerschuld aus Scheinrechnungen kann bei Bestätigung des Urteils des FG München bewusst umgangen werden, indem eine auf den ersten Blick hin ordnungsgemäße Abrechnung mit einer nicht konkretisierbaren Leistungsbeschreibung verbunden wird. Ob sich der BFH dieser Sichtweise anschließen wird, erscheint nicht sicher, da der EuGH in seiner Rechtsprechung in den Fällen einer Berichtigung eines unberechtigten Steuerausweises immer verlangt hat, dass die Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen sein muss. Übertragen auf die Entscheidung des FG München war die Gefährdung des Steueraufkommens nicht beseitigt, da eine Rückzahlung der vom Abrechnungsempfänger abgezogenen Vorsteuer von der Finanzverwaltung nicht erreicht werden konnte.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 20.02.2003, 14 K 4324/01