Leitsatz
1. Für die Herstellung von Grafitelektroden kommt eine Stromsteuerentlastung nach § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG i.d.F. vom 15.7.2006 nicht in Betracht.
2. Zur Auslegung des § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG sind die NACE Rev. 1.1 und die Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2003) nebst deren Erläuterungen heranzuziehen.
Normenkette
§ 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG, VO (EWG) Nr. 3037/90
Sachverhalt
Ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes, das unter Verwendung versteuerten Stroms Kohlenstoff- und Grafitprodukte, insbesondere Grafitelektroden, hauptsächlich Grafitelektroden für Lichtbogenöfen der Stahlindustrie, herstellt, möchte für die Verfahrensabschnitte elektrische Vorwärmung von Petrolkoks in den Mischern, Warmhalten der zu pressenden Mischungen, elektrische Begleitheizung des Imprägnierpechs, elektrischer Grafitierungsbrand und Flammspritzen von Aluminium auf Grafitelektroden im Zeitraum von August bis Dezember 2006 eine Stromsteuerentlastung nach § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG erhalten. Das HZA hat diesen Antrag abgelehnt, jedoch auf einen späteren entsprechenden Antrag eine Steuererentlastung nach § 10 StromStG (in etwas geringerer Höhe) gewährt. Dieser Bescheid ist nach § 165 AO vorläufig ergangen. Auf die gegen den erstgenannten Ablehnungsbescheid erhobene Verpflichtungsklage hat das FG das HZA zur Erstattung der Stromsteuer in der auf der Grundlage des § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG errechneten, beantragten Höhe verpflichtet (FG München, Urteil vom 14.10.2010, 14 K 3419/08, Haufe-Index 2602415).
Entscheidung
Der BFH hat dieses Urteil aufgehoben. Soweit das Unternehmen bereits Entlastung von der Stromsteuer aufgrund des § 10 StromStG erhalten hat, ist die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Wegen des – geringen – Differenzbetrags zu einer etwa nach § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG zu gewährenden Entlastung ist sie unbegründet, weil Grafitelektroden keine von der im Streitjahr geltenden Fassung des § 9a StromStG erfassten begünstigten keramischen Erzeugnisse sind. Mit dem Gesetz zur Änderung des Energiesteuer- und Stromsteuergesetzes vom 1.3.2011 (BGBl I 2011, 282) ist allerdings die nach § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromStG zu gewährende Steuerbegünstigung auf die Herstellung von Waren aus Grafit oder anderen Kohlenwasserstoffen ausgedehnt worden, sodass ab diesem Zeitpunkt möglicherweise auch dem Unternehmen Steuerentlastung zu gewähren wäre (was der BFH nicht erörtern und entscheiden musste).
Hinweis
1. Das StromStG enthält bekanntlich eine ganze Reihe von Entlastungsvorschriften, die sich in ihren tatbestandlichen Voraussetzungen vielfach mehr oder weniger überschneiden. Sind dies rechtlich selbstständige Steuerbegünstigungen (für die jeweils – fristgerecht! – ein entsprechender Antrag gestellt werden muss) oder handelt es sich um einen (oder ggf. mehrere, jeweils einen Teil der Vorschriften umfassenden) einheitlichen Entlastungstatbestand mit bloßen Tatbestandsalternativen? Mit der Folge, dass ein Antrag – worauf immer er gestützt ist und vorbehaltlich der Darlegungs- und sonstigen Mitwirkungspflichten des Antragstellers – stets sämtliche (bzw. die betroffenen) Begünstigungstatbestände umfasst?
Eine ähnliche Frage hatte sich dem BFH bereits bei dem Urteil vom 8.6.2010, VII R 37/09 (BFH/NV 2010, 2122, BFH/PR 2011, 35) zum MinöStG gestellt. Er hatte sie für die beiden dort betroffenen Entlastungsvorschriften (nicht weitergehend!) in dem letzteren Sinn beantwortet, also einen einheitlichen, aus zwei Tatbestandsalternativen bestehenden Entlastungstatbestand angenommen. Wie die Rechtslage im StromStG wäre, ist bislang ungeklärt und auch in der Besprechungsentscheidung nicht entschieden worden. Es musste nicht entschieden werden, weil für beide Entlastungsalternativen rechtzeitig Anträge gestellt worden waren.
Insoweit ist allerdings unter dem Aspekt des Rechtsschutzbedürfnisses klar, dass nicht beide Anträge in vollem Umfang Erfolg haben können. Denn nachdem dem einen Antrag stattgegeben worden ist, besteht für den anderen ein Bescheidungs- und Rechtsschutzinteresse nur noch wegen eines etwaigen Differenzbetrages.
2. HZA und FG hatten das offenbar deshalb anders gesehen, weil der gewährende Bescheid nur vorläufig ergangen war, also anscheinend unter dem Vorbehalt, dass er aufgehoben werden soll, wenn auf den weitergehenden Antrag nach § 9a StromStG eine (die nach § 10 StromStG gewährte umfassende) Steuerentlastung zu gewähren ist. Der Grund der Vorläufigkeit war freilich in dem Bescheid nicht benannt. Und vielleicht könnte man sogar (in Wahrheit freilich unberechtigte!) Zweifel haben, ob man einen Bescheid vorläufig im Hinblick auf den ungewissen Inhalt eines anderweit streitbefangenen Bescheids erlassen darf. Denn in jedem Fall war ja dem Unternehmen unbeschadet der Vorläufigkeit – so muss man den Gewährungsbescheid wohl verstehen – die Steuerentlastung endgültig in der Höhe gewährt worden, dieser nach § 10 StromStG allemal beanspruchen konnte! Wollte man den Vorläufigkeitsvermerk anders verstehen und auch auf jenen (gl...