Leitsatz
1. Tanzkurse, die ein gemeinnütziger Verein durchführt, sind nicht gem. § 4 Nr. 22 UStG von der USt befreit.
2. Sie können aber dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG unterliegen.
Normenkette
§ 4 Nr. 22 Buchst. a, § 4 Nr. 22 Buchst. b, § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG, Art. 13 Teil a Abs. 1 Buchst. i, m und n, Art. 13 Teil A Abs. 2 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Ein gemeinnütziger Verein (Kläger) betrieb ein "Seminar für Musik und Bewegungserziehung" und bot u.a. im Rahmen einer sog. "Tanzwerkstatt" Kurse an, die das FA als umsatzsteuerpflichtig ansah.
Die Klage, mit der der Kläger geltend gemacht hatte, seine Kurse unterschieden sich nach Unterrichtsinhalt und -methode von denen gewöhnlicher Tanzschulen, hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Die Revision führte zur Zurückverweisung. Tanzkurse dienen der Freizeitgestaltung der Teilnehmer. Es kam deshalb nicht darauf an, ob tatsächlich, wie der Kläger meinte, seine Unterrichtsinhalte und -methoden sich von denen gewerblicher Anbieter unterschieden.
Tanzschüler betreiben das Tanzen regelmäßig als reine Freizeitbeschäftigung. Das reicht für die Anwendung des § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG nicht aus. Offen ließ der BFH auch, ob Abschn. 115 Abs. 3 UStR eine richtlinienkonforme Auslegung darstellt.
Denn das wäre nur relevant gewesen, wenn die Kursteilnehmer das Tanzen als Tanzsportler in erster Linie als Wettkampf zwischen Paaren bzw. Formationen im Rahmen des Vereins- bzw. Leistungssports betrieben hätten.
Das FG hatte nicht geprüft, ob die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 8 Buchst. a UStG eingreift. Der Senat konnte mangels entsprechender Feststellungen nicht entscheiden.
Hinweis
Es geht um die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Tanzkursen durch einen gemeinnützigen Verein.
1.§ 4 Nr. 22 Buchst. a UStG setzt Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL – mehr oder weniger – um. Das UStG befreit: Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art. Die nach der 6. EG-RL die befreiten Tätigkeiten sind: die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, der Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen. Bei der mithin gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG sind nicht alle Kurse zur Erlernung von Fähigkeiten oder Fertigkeiten "wissenschaftlicher oder belehrender Art" im Sinn dieser Vorschrift, sondern nur solche Kurse befreit, die als Erziehung von Kindern und Jugendlichen, als Schul- oder Hochschulunterricht, als Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung zu qualifizieren sind.
2. Auch § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG ist an der 6. EG-RL zu messen. Gemeinschaftsrechtliche Grundlage ist Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m und n der 6. EG-RL: Buchst. m betrifft "bestimmte in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben", und Buchst. n"bestimmte kulturelle Dienstleistungen und eng damit verbundene Lieferungen von Gegenständen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannten Einrichtungen erbracht werden". Unter "sportliche Veranstaltungen" i.S.d. § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG fallen nur diejenigen organisatorischen Maßnahmen eines Sportvereins, die es aktiven Sportlern ermöglichen, Sport zu treiben. Tanzkurse, die in erster Linie der Verbesserung der tänzerischen Fähigkeiten der einzelnen Teilnehmer dienen, sind keine "kulturellen Veranstaltungen" i.S.v. § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG. Dass damit auch "weitergehende Zwecke" verbunden sein können, wie Vermittlung von Körpergefühl etc., ändert daran nichts.
3. Bei Leistungen eines als gemeinnützig anerkannten Vereins ist auch an die Steuerermäßigung (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG) zu denken, wenn kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vorliegt.
§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ist nicht richtlinienkonform, denn nach Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 der 6. EG-RL dürfen die Mitgliedstaaten u.a. nur auf die in Anhang H genannten Kategorien einen ermäßigten Steuersatz anwenden. Ist die nationale Vorschrift günstiger, geht das für den Steuerpflichtigen günstigere nationale Recht vor.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 27.4.2006, V R 53/04