Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Es ist verfassungsrechtlich und europarechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber einen steuerbaren, im Veranlagungszeitraum 2001 noch nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG lediglich nach der Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG, nicht aber nach § 34 Abs. 3 EStG begünstigt (Anschluss an BFH-Beschluss vom 01.09.2004, VIII B 64/04, BFH/NV 2004, 1650).
Normenkette
Art. 56 EG (Art. 63 AEUV), Art. 3 Abs. 1 GG, § 17, § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, § 52 Abs. 4a, Abs. 47 EStG 2001
Sachverhalt
Frau K war die Erbin von E, der mit 32 % an einer AG beteiligt war. Er veräußerte diese Beteiligung 2001 aus Gründen einer schweren und letztlich zum Tode führenden Erkrankung und beantragte, den Veräußerungsgewinn von 10 Mio. der begünstigten Besteuerung nach § 34 Abs. 3 EStG oder dem Halbeinkünfteverfahren zu unterwerfen. Er blieb damit im Aussetzungsverfahren (BFH, Beschluss vom 01.09.2004, VIII B 64/04, BFH/NV 2004, 1650) sowie auch im Hauptverfahren in allen Instanzen ohne Erfolg.
Entscheidung
Das FG München (Urteil vom 08.12.2009, 12 K 4089/06, Haufe-Index 2371924) folgte im Wesentlichen dem Aussetzungsbeschluss des BFH vom 01.09.2004, VIII B 64/04 (BFH/NV 2004, 1650). Dieses Urteil bestätigte der BFH auch – im Ergebnis – in Bezug auf die europarechtlichen Ausführungen aus den in den Praxis-Hinweisen gegebenen Erläuterungen.
Hinweis
Das Jahr 2001 war für Anteilsveräußerungen ein besonderes Jahr des Übergangs vom alten Anrechnungsverfahren hin zum Halbeinkünfteverfahren. So unterfielen Auslandsbeteiligungen bereits dem neuen Halbeinkünfteverfahren, Inlandsbeteiligung aber nicht. Andererseits war ein Veräußerungsgewinn lediglich nach der Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG und nicht – wie z.B. ein Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG – gem. § 34 Abs. 3 EStG begünstigt. Mit den daraus resultierenden verfassungs- und europarechtlichen Problemen musste sich der BFH in dieser Grundsatzentscheidung beschäftigen.
1. Aber zuvor geht es erst einmal um schlichtes Gesetzesverständnis, das im Steuerrecht allzu oft schon schwer genug ist, insbesondere dann, wenn es – wie hier – um komplizierte Anwendungsregelungen geht. Ein Veräußerungsgewinn unterlag im Jahr 2001 lediglich der Steuervergünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG, der sog. Fünftelregelung. Allerdings ergibt sich das nicht aus § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG, der sich nicht auf einen Veräußerungsgewinn aus § 17 EStG bezieht. Indes ist diese Fassung des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG, die erstmals den Veräußerungsgewinn nicht mehr als außerordentliche Einkünfte begünstigt, im Jahr 2001 noch nicht anzuwenden.
Nach § 52 Abs. 47 S. 2 EStG ist nämlich die Anwendungsregelung des § 52 Abs. 4a EStG entsprechend anzuwenden, und diese Vorschriften verknüpfen den Wegfall der Begünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG mit der erstmaligen Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens. Weil dieses Verfahren bekanntlich erst ab 2002 anzuwenden ist (§ 34 Abs. 1 KStG), ist Begünstigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG in der früheren Fassung – die sog. Fünftelregelung – im Jahr 2001 noch anwendbar. Dagegen findet § 34 Abs. 3 EStG auf den Veräußerungsgewinn keine Anwendung. Nach § 52 Abs. 47 S. 3 EStG gilt die soeben erläuterte Anwendungsregelung des § 52 Abs. 47 S. 2 EStG nicht für § 34 Abs. 3 EStG. Das bedeutet zusammenfassend: Der Veräußerungsgewinn ist nur nach § 34 Abs. 1 EStG, nicht hingegen nach § 34 Abs. 3 EStG steuerlich begünstigt.
2. Soweit nun die Klärung der einfachen Anwendungsbestimmungen. Aber ist das Ganze nicht verfassungsrechtlich problematisch, insbesondere im Hinblick auf die abweichende Behandlung des Veräußerungsgewinns in § 16 EStG?
Nein, so der BFH. Denn der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands – Einführung des Halbeinkünfteverfahrens und Verknüpfung mit der steuerlichen Begünstigung nach § 34 EStG – die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig umgesetzt und Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung besonders begründet.
Allerdings behandelt das Gesetz Veräußerungsgewinne nach § 17 EStG und solche z.B. gem. § 16 EStG nicht gleich. Es hatte ab 2001 den halben Steuersatz für Veräußerungsgewinne z.B. nach § 16 EStG in § 34 Abs. 3 EStG wieder eingeführt, soweit sie nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen. Wenn nun aber – wie wir gesehen haben (zu 1.) – der Veräußerungsgewinn in 2001 auch (noch) nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegt, ist es dann nicht gleichheitsrechtlich problematisch, wenn das Gesetz den halben Steuersatz für § 16 EStG, aber nicht für § 17 EStG vorsieht?
3. Die gesetzliche Differenzierung ist gerechtfertigt: Grund hierfür ist, dem Mittelstand einen Ausgleich für die ab dem Jahr 2002 geltende Halbeinkünfte-Besteuerung von Kapitalgesellschaften zu gewähren. Der Gesetzgeber konnte eine auf diesen Mittelstand beschränkte Altersvorsorgekomponente einführen; er war nicht verpflichtet, einen weiteren Personenkreis in die begünstigende Regelung einzubeziehen. Folgerichtigkeit...