Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine verfassungs- und europarechtlichen Zweifel an der Veräußerungsgewinnbesteuerung nach § 17 EStG im Veranlagungszeitraum 2001
Leitsatz (amtlich)
Es ist verfassungsrechtlich und europarechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber einen steuerbaren, im Veranlagungszeitraum 2001 noch nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG lediglich nach der Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG, nicht aber nach § 34 Abs. 3 EStG begünstigt (Anschluss an BFH-Beschluss vom 1. September 2004 VIII B 64/04, BFH/NV 2004, 1650).
Normenkette
EG Art. 56; AEUV Art. 63; GG Art. 3 Abs. 1; EStG 2001 §§ 17, 34 Abs. 1, 2 Nr. 1, Abs. 3, § 52 Abs. 4a, 47
Verfahrensgang
Tatbestand
Rz. 1
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde im Streitjahr (2001) mit ihrem im Jahr 2005 verstorbenen Ehemann (E) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. E war mit 32,8947 % des Grundkapitals an einer AG beteiligt. Er veräußerte diese Beteiligung im Streitjahr und beantragte, den daraus erzielten Gewinn von 10.498.587 DM nach § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG) ermäßigt zu besteuern. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) lehnte diesen Antrag ab und setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr unter Berücksichtigung von § 34 Abs. 1 EStG fest.
Rz. 2
Im Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides machten die Eheleute geltend, E erfülle aufgrund seiner schweren, seine Berufsunfähigkeit bedingenden Erkrankung die personenbezogenen Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 EStG. Er hätte infolge der Erkrankung auch keine Möglichkeit gehabt, die Veräußerung seiner Beteiligung in das vom Halbeinkünfteverfahren begünstigte Jahr 2002 zu verschieben. Dass er sein Lebenswerk nicht in Form einer nach § 34 Abs. 3 EStG begünstigten Beteiligung an einer Personengesellschaft organisiert hätte, dürfe ihn im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) nicht benachteiligen. Der Aussetzungsantrag hatte keinen Erfolg und wurde vom Finanzgericht (FG) abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 1. September 2004 VIII B 64/04 (BFH/NV 2004, 1650) zurück.
Rz. 3
Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG folgte dem BFH in dessen verfassungsrechtlicher Bewertung und beurteilte überdies die Rechtslage als europarechtlich unbedenklich.
Rz. 4
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die sie auf Verletzung formellen und materiellen Rechts stützt.
Rz. 5
1. Die sich vielfach in Verweisungen erschöpfende Vorentscheidung sei ―jedenfalls zum Teil― nicht mit Gründen versehen (§ 119 Nr. 6 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Rz. 6
2. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleiste Kontinuität. Dagegen verstoße die Neufassung des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG, wonach § 17 EStG nicht mehr dem begünstigenden Steuersatz unterfalle.
Rz. 7
3. Die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung mit dem vollen Steuersatz für inländische Beteiligungseinkünfte sei zu bejahen. Das Halbeinkünfteverfahren sei nicht auf Veräußerungsgewinne im Streitjahr anwendbar. Dieses Verfahren sei an den wirtschaftlichen Umstand geknüpft worden, dass das Unternehmenssteuersystem erst gelten solle, wenn im Jahr 2001 verdiente Dividenden ausgeschüttet werden könnten. Daraus könne im Umkehrschluss gefolgert werden, diese Anwendungsregelung greife nicht, wenn der Veräußerungsgewinn nicht auf Gewinne der Gesellschaft entfalle, für den das Anrechnungsverfahren Anwendung finde, sondern z.B. auf künftige Gewinne. Es bestehe kein sachlicher Differenzierungsgrund für die Nichtanwendung des Halbeinkünfteverfahrens auf inländische Beteiligungen, aber deren Anwendung auf ausländische Beteiligungen.
Rz. 8
4. Der Gesetzgeber hätte inländische Veräußerungsgewinne gemäß § 17 EStG in § 34 Abs. 3 EStG mit aufnehmen müssen. Nur so wäre die Verfassungswidrigkeit der Nichtanwendung des halben Steuersatzes auf Veräußerungsgewinne inländischer Beteiligungen vermieden worden. Das Beispiel in BTDrucks 14/4547, S. 13 sei nicht geeignet, die Differenzierung zu rechtfertigen. Es verkenne zunächst, dass bei Berufsunfähigkeit kein Missbrauch vorliege. Ferner ergebe sich aus dem Beispiel ―abgesehen von einem Verkauf an sich selbst― keine Missbrauchsmöglichkeit.
Rz. 9
5. Die Anwendungsregelungen seien europarechtswidrig. So liege in der unterschiedlichen Behandlung von inländischen Anteilsveräußerungen im Gegensatz zu ausländischen Beteiligungsveräußerungsgewinnen ein nicht zu rechtfertigender Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit.
Rz. 10
Die Klägerin beantragt sinngemäß,1. das angefochtene Urteil aufzuheben und2. den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 vom 11. Juli 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 22. September 2006 zu ändern und die Einkommensteuer für das Jahr 2001 unter Berücksichtigung eines nach § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG zur Hälfte steuerfreien Veräußerungsgewinns entsprechend herabzusetzen,3. hilfsweise den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 vom 11. Juli 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 22. September 2006 zu ändern und die Einkommensteuer für das Jahr 2001 dahingehend herabzusetzen, als der Veräußerungsgewinn in Höhe eines Teilbetrages von 10 Mio. DM nach § 34 Abs. 3 EStG ermäßigt zu besteuern ist,4. hilfsweise gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der erstmaligen Anwendbarkeit des § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG gemäß § 52 Abs. 4a Nr. 2 EStG, § 34 Abs. 1 KStG (StSenkG) auf inländische Beteiligungsveräußerungsgewinne oder über die Anwendbarkeit des § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 EStG auf inländische Beteiligungsveräußerungsgewinne in 2001 einzuholen und das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auszusetzen, oder weiter hilfsweise, das Verfahren zur Prüfung einer Billigkeitsentscheidung wegen verfassungsrechtlicher Bedenken auszusetzen,5. hilfsweise das Verfahren auszusetzen und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Rz. 11
Das FA beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Rz. 12
II. Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Rz. 13
1. Das angefochtene Urteil ist mit Gründen versehen und verletzt deshalb nicht Bundesrecht (§ 119 Nr. 6 FGO). Das FG hat seine Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zweifel an den zugrunde liegenden Anwendungsvorschriften zutreffend durch Bezugnahme auf den BFH-Beschluss in der Aussetzungssache in BFH/NV 2004, 1650 begründet. Das reicht aus (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 105 FGO Rz 42, m.w.N.). Zu den europarechtlichen Fragestellungen hat das FG ebenfalls Stellung genommen.
Rz. 14
2. Das angefochtene Urteil verletzt auch im Übrigen kein Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Es hat den unstreitig steuerbaren Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG zutreffend der Besteuerung unterworfen.
Rz. 15
a) Er unterliegt ―wovon FG und FA zu Recht ausgehen― lediglich der Steuervergünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG.
Rz. 16
Nach § 34 Abs. 1 EStG ist die Einkommensteuer, die auf im Veranlagungszeitraum bezogene außerordentliche Einkünfte entfällt, nach den Sätzen 2 bis 4 zu berechnen. Die im Streitjahr geltende Fassung des § 34 Abs. 1 EStG sieht die sog. Fünftelregelung vor. Als außerordentliche Einkünfte im Sinne dieser Vorschrift kommt auch ein Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG in Betracht. Allerdings bezieht sich § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht auf den Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 EStG. Indessen ist diese Fassung des Gesetzes im Streitfall noch nicht anwendbar, sondern erst dann, wenn die Einkommensteuer dem Halbeinkünfteverfahren unterfällt.
Rz. 17
Die Fassung des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG, die erstmals den Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG nicht mehr als außerordentliche Einkünfte begünstigt, beruht auf dem Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung ―Steuersenkungsgesetz― (StSenkG) vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428). Auf sie ist nach § 52 Abs. 47 Satz 2 EStG die Anwendungsregelung des § 52 Abs. 4a EStG in der nämlichen Fassung entsprechend anzuwenden. Bezogen auf den hier streitigen Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG ist danach § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG (§ 52 Abs. 4a Nr. 2 EStG in direkter Anwendung) und damit auch § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG (nach gemäß § 52 Abs. 47 Satz 2 EStG entsprechender Anwendung des § 52 Abs. 4a Nr. 2 EStG) erstmals anzuwenden nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres der Gesellschaft, an der die Anteile bestehen, für die das Körperschaftsteuergesetz (KStG) i.d.F. des Art. 3 StSenkG erstmals anzuwenden ist. Das dort geregelte Halbeinkünfteverfahren ist bei einem mit dem Kalenderjahr übereinstimmenden Wirtschaftsjahr der Kapitalgesellschaft ―also auch im Streitfall― erstmals für den Veranlagungszeitraum 2002 anzuwenden, § 34 Abs. 1 KStG (eingehend zur Anwendbarkeit BFH-Urteil vom 27. März 2007 VIII R 25/05, BFHE 217, 467, BStBl II 2008, 298).
Rz. 18
Damit ist § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 EStG in der (früheren) Fassung noch unter Einbeziehung des Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG im Streitjahr anwendbar, so dass der Veräußerungsgewinn nach der sog. Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG begünstigt besteuert wird.
Rz. 19
b) Der Veräußerungsgewinn ist demgegenüber nicht zur Hälfte gemäß § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG steuerfrei. Dies ergibt sich aus der unmittelbaren Anwendung des § 52 Abs. 4a Nr. 2 EStG (s. oben unter 2.a). Auch § 34 Abs. 3 EStG findet auf den hier streitigen Veräußerungsgewinn keine Anwendung. Nach § 52 Abs. 47 Satz 3 EStG gilt die unter II.2.a erläuterte Anwendungsregel des § 52 Abs. 47 Satz 2 EStG nämlich nicht für die Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG. Das bedeutet: Der Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG ist nur nach § 34 Abs. 1 EStG (Fünftelregelung) steuerlich begünstigt, nicht hingegen nach § 34 Abs. 3 EStG.
Rz. 20
3. Diese Regelungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Rz. 21
a) Es verstößt nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG, wenn der Gesetzgeber die bisherige Besteuerung von Veräußerungsgewinnen nach § 17 EStG mit dem halben Steuersatz beseitigt (durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304). Eine Kontinuitätsgewähr gibt es prinzipiell nicht. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen Schutz (so Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 7. Juli 2010 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2010, 1103, BFH/NV 2010, 1968 Rz 68, m.w.N.). Das Steuerentlastungsgesetz wurde am 4. März 1999 beschlossen. Ab diesem Zeitpunkt ―und damit auch im Zeitpunkt der Veräußerung der wesentlichen Beteiligung durch E im Streitjahr― war das Vertrauen der Klägerin in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage nicht mehr geschützt (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 1650, m.w.N.).
Rz. 22
b) Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn dem Inhaber von qualifizierten Beteiligungen im Streitjahr die Vergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG nicht zugute kommt, er andererseits auch nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegt (so bereits BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2004, 1650, und vom 19. Juni 2006 VIII B 129/05, BFH/NV 2006, 1830).
Rz. 23
aa) Nach dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) muss der Gesetzgeber wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich behandeln. Dies gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Für die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird hier, insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts, vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen angemessen sein muss. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. zum Vorstehenden die ständige Rechtsprechung des BVerfG, z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 6. Juli 2010 2 BvL 13/09, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 2010, 1563, BFH/NV 2010, 1767, Rz 35 und 36, und vom 21. Juli 2010 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, DStR 2010, 1721, BFH/NV 2010, 1985, Rz 78 und 79, jeweils m.w.N.). Dies gilt auch für die Ausgestaltung der Steuertarife. Im Hinblick auf die Belastungsgleichheit macht es keinen Unterschied, ob Einkünfte, welche die gleiche Leistungsfähigkeit repräsentieren, in unterschiedlicher Höhe in die Bemessungsgrundlage einfließen oder ob sie einem unterschiedlichen Tarif unterworfen werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164).
Rz. 24
bb) Nach diesen Maßstäben liegt keine verfassungsrechtlich problematische Ungleichbehandlung darin, dass der Gesetzgeber den Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG nicht nach § 34 Abs. 3 EStG begünstigt. Ob der Gesetzgeber bei den hier zu beurteilenden Rechtsänderungen lediglich an den zurückhaltend zu kontrollierenden Anforderungen des Willkürverbots zu messen ist (in diese Richtung BFH-Urteil vom 9. März 2010 VIII R 109/03, BFH/NV 2010, 1266, m.w.N.), mag offenbleiben. Denn der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands (Einführung des Halbeinkünfteverfahrens, Verknüpfung mit der steuerlichen Begünstigung nach § 34 EStG) die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt und Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung besonders begründet.
Rz. 25
aaa) Zwar behandelt der Gesetzgeber Veräußerungsgewinne nach § 17 EStG und solche gemäß §§ 14, 14a, 16 und 18 EStG nicht gleich. Durch Art. 1 des Steuersenkungsergänzungsgesetzes vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1812, BStBl I 2001, 25) wurde mit § 34 Abs. 3 EStG 2001 für Veräußerungsgewinne nach §§ 14, 14a, 16 und 18 EStG, soweit sie nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen, unter bestimmten persönlichen Voraussetzungen die Gewährung des halben durchschnittlichen Steuersatzes auf Antrag ab 2001 wieder eingeführt und durch Art. 2 Nr. 2 klargestellt, dass diese Vergünstigung nicht auf Veräußerungsgewinne, die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen, aber in der Übergangsphase noch nach § 34 Abs. 1 EStG begünstigt sind, anzuwenden ist (§ 52 Abs. 47 Satz 3 EStG). Damit sind Veräußerungsgewinne nach § 17 EStG von dieser Vergünstigung ausgenommen. Für sie bleibt lediglich die Begünstigung nach der sog. Fünftelregelung (s. oben unter 2.a). Gegen diese Differenzierung der Rechtsfolgen bei Veräußerungsgewinnen bestehen indes keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Rz. 26
bbb) Der Gesetzgeber war zunächst berechtigt, die bis zum Veranlagungszeitraum 1998 geltende Besteuerung von Veräußerungsgewinnen mit dem halben Steuersatz für die Zukunft neu zu gestalten. Die Einführung der Fünftelregelung anstelle des zuvor geltenden halben Steuersatzes für Veräußerungsgewinne erforderte keine Übergangsregelung. Die vom Gesetzgeber angeführten Gründe für diese Rechtsänderung (BTDrucks 14/23, S. 183: Beseitigung der über den Zweck der Progressionsglättung hinausgehenden Begünstigung) tragen die Entscheidung in verfassungsrechtlicher Hinsicht (so BFH in BFH/NV 2010, 1266 Rz 21).
Rz. 27
ccc) Wenn der Gesetzgeber nun ab dem Veranlagungszeitraum 2001 gemäß § 34 Abs. 3 EStG den halben Steuersatz wieder einführt, nur nicht für Veräußerungsgewinne nach § 17 EStG, so ist diese Unterscheidung gerechtfertigt.
Rz. 28
(1) Sie beruht darauf, dem Mittelstand einen Ausgleich für die ab dem Jahre 2002 geltende Besteuerung von Kapitalgesellschaften zu gewähren, deren systematische Grundlage durch das Steuersenkungsgesetz mit dem Halbeinkünfteverfahren grundlegend geändert worden war; die Neuregelung bezog in dieses Verfahren auch die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften ein. Als Folge dieses Systemwechsels konnte der Gesetzgeber auch eine auf diesen Mittelstand beschränkte Altersvorsorgekomponente einführen; er war nicht verpflichtet, aus Gründen der steuerlichen Gleichbehandlung einen weiteren Personenkreis in diese Regelung einzubeziehen (so BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 1650).
Rz. 29
(2) Zwar ist das Halbeinkünfteverfahren bei Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften frühestens ab dem 1. Januar 2002 anzuwenden, während die zum Ausgleich dieses Verfahrens eingeführte Besteuerung der in § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG genannten Veräußerungsgewinne mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG bereits für den Veranlagungszeitraum 2001 möglich ist. Die Klägerin kann jedoch weder verlangen, dass sie aus diesem Grund nach dem Halbeinkünfteverfahren besteuert wird, noch kann sie verlangen, dass der Veräußerungsgewinn des E nach dem ermäßigten halben Steuersatz versteuert wird. Die Schaffung einer Mittelstandskomponente ist keine durch die Systemumstellung gebotene Regelung; als Sozialzwecknorm ist § 34 Abs. 3 EStG ―bei periodenübergreifender Betrachtung― Gegenstand des dem Gesetzgeber zuzubilligenden weitergehenden Ermessensrahmens (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 9. Dezember 2002 X B 28/02, BFH/NV 2003, 471, unter II.1.).
Rz. 30
Selbst wenn man der Revision dahin folgt, dass E die personenbezogenen Voraussetzungen der Steuervergünstigung erfüllte, war seine Erwartung, an dieser Besserstellung teilzuhaben, bei Berücksichtigung der typisierend unterschiedlichen steuerrechtlichen Behandlung dieser Steuerpflichtigen durch das Gleichbehandlungsgebot nicht geschützt; der Gesetzgeber konnte im Rahmen der Sozialzwecknorm des § 34 Abs. 3 EStG nämlich davon ausgehen, dass die Altersversorgung bei (Mit-)Unternehmern typischerweise und im Rahmen der Begünstigungshöchstgrenze in größerem Umfang über den Wert des Betriebs geschaffen wird als dies bei Inhabern wesentlicher Beteiligungen der Fall ist. Soweit E sich darauf beruft, dass in seinem Fall das Konzept der Altersversorgung demjenigen eines (Mit-)Unternehmers entsprochen habe, kann sein Vortrag nur im Rahmen einer einzelfallbezogenen Billigkeitsmaßnahme der Finanzverwaltung berücksichtigt werden. Im vorliegenden Verfahren ist dies nicht möglich (so schon BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 1650).
Rz. 31
(3) Überdies beruhte die steuerrechtliche Gleichbehandlung von Veräußerungsgewinnen i.S. von § 17 EStG und insbesondere von § 16 EStG ursprünglich auf der Vorstellung, das Halten und die Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung stünde wirtschaftlich dem Einzelunternehmen und der Beteiligung an einer OHG sehr nahe; der wesentlich Beteiligte sollte einem Mitunternehmer gleichgestellt werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21. Dezember 1993 VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648, unter 2.a, m.w.N.). Diese systematische Verknüpfung ist jedoch mit der Absenkung der Beteiligungsgrenze auf 1 % des Nennkapitals ―der zeitliche Anwendungsbereich des § 17 EStG stimmt mit dem des Halbeinkünfteverfahrens überein (§ 3 Nr. 40 Buchst. c, § 52 Abs. 4a Nr. 2 EStG i.V.m. § 34 Abs. 1 KStG, § 52 Abs. 34a EStG)― und durch den Systemwechsel zum Halbeinkünfteverfahren gelöst worden. Im Vordergrund steht nunmehr die Gleichbehandlung von Veräußerungsgewinnen aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften mit den Einkünften aus Kapitalvermögen (vgl. u.a. BTDrucks 14/2683, S. 120; Crezelius, Der Betrieb 2001, 221, 222). Das konnte der Gesetzgeber zur Vermeidung fiskalisch unerwünschter Gestaltungen bereits im Streitjahr berücksichtigen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 1650).
Rz. 32
(4) Das Gesetz schließt nach seiner Systematik eine kumulative Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung für außerordentliche Einkünfte und der hälftigen Steuerfreiheit nach dem Halbeinkünfteverfahren aus. Das ergibt sich z.B. aus § 34 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 47 Satz 2 EStG. Daraus folgt aber nicht im Gegenschluss, der Gesetzgeber müsse Veräußerungsgewinne stets nach § 34 Abs. 3 EStG begünstigen, wenn oder soweit das Halbeinkünfteverfahren nicht anwendbar ist. Er hat die Begünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG für Veräußerungsgewinne nach § 17 EStG in dem Übergangszeitraum (2001) für ausreichend gehalten und von der Anwendung des halben durchschnittlichen Steuersatzes wegen des darin liegenden erheblichen fiskalischen Risikos bewusst ausgeschlossen (vgl. dazu die Stellungnahme des Bundesrates als Anlage 2 zur BTDrucks 14/4217, S. 9, und BTDrucks 14/4547, S. 13). Dem liegt die Befürchtung zugrunde, der Erwerber könne Steuerguthaben anrechnen, während der Veräußerer den halben Steuersatz auf den Veräußerungsgewinn erhält (vgl. das Beispiel in BTDrucks 14/4547, S. 13).
Rz. 33
Selbst wenn man mit der Revision das Beispiel, das in BTDrucks 14/4547, S. 13 zur Erläuterung der Gestaltungsmöglichkeiten, die das Gesetz verhindern möchte, gegeben wird, nicht in vollem Umfang nachvollziehen kann (was z.B. die als Vergleich herangezogene Ausschüttung durch den Veräußerer anlangt), so ändert dies nichts daran, dass die Intention des Gesetzgebers nicht in jedem einzelnen Fall vorliegen muss. Das Gesetz löst sich von der Entwurfsbegründung und regelt allgemein und damit über den Einzelfall hinaus, was gilt (eingehend zu diesen Zusammenhängen G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes, 2009, S. 319 ff.). Es ist dem Gesetz kein immanentes Prinzip zu entnehmen, entgegen dessen Wortlaut nur in Fällen, in denen es konkret zu einem finanziellen Risiko kommen kann, die Anwendbarkeit des § 34 Abs. 3 EStG auszuschließen. Das Beispiel in BTDrucks 14/4547, S. 13 erläutert die Befürchtungen des Gesetzgebers lediglich, dokumentiert aber keinesfalls den Sinn und Zweck der Vorschrift, dessen Nichtvorliegen den Rechtsanwender z.B. berechtigen könnte, den Geltungsbereich der Vorschrift gegenüber ihrem zu weit gefassten Wortlaut teleologisch zu reduzieren (vgl. dazu z.B. BVerfG-Beschluss vom 29. Juli 2004 1 BvR 737/00, Neue Juristische Wochenschrift 2004, 2662; BFH-Urteil vom 26. Juni 2007 IV R 9/05, BFHE 219, 173, BStBl II 2007, 893).
Rz. 34
ddd) Gleichheitsrechtlich ist schließlich nicht zu beanstanden, wenn das Gesetz das Halbeinkünfteverfahren für Veräußerungen von Inlandsbeteiligungen erst ab dem Veranlagungszeitraum 2002 beginnen lässt, während dieses Verfahren für Auslandsbeteiligungen bereits ab 2001 anwendbar ist. Diese Unterscheidung ist nämlich durch den besonderen Anpassungsbedarf der inländischen Besteuerungssysteme aneinander gerechtfertigt.
Rz. 35
Bei Inlandsbeteiligungen koppelt § 52 Abs. 4a EStG die maßgebliche Rechtslage für den Anteilseigner an diejenige für die Gesellschaft. Die Norm enthält keine bloße Stichtagsregel. Zweck ist, für einen Übergangszeitraum zum Halbeinkünfteverfahren eine weitestgehende Korrespondenz der Besteuerung von in der Gesellschaft erwirtschafteten Erträgen beim Gesellschafter und bei der Gesellschaft selbst zu gewährleisten. Gemäß § 34 Abs. 12 Satz 1 KStG ist das Anrechnungsverfahren bei der Gesellschaft letztmals für Gewinnausschüttungen anzuwenden, die auf einem entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr beruhen und in dem ersten Wirtschaftsjahr der Gesellschaft vorgenommen werden, für das bei ihr bereits das Halbeinkünfteverfahren gilt. Das Halbeinkünfteverfahren gilt für eine Gesellschaft mit kalendergleichem Wirtschaftsjahr erstmals für den Veranlagungszeitraum 2001. In diesem beschlossene Ausschüttungen unterliegen also bei der Gesellschaft noch dem Anrechnungsverfahren. Gleiches gilt nach § 52 Abs. 4a Nr. 2 EStG für den Gesellschafter. Dem liegt die typisierende Annahme zugrunde, dass Ausschüttungen noch im vorangegangenen Wirtschaftsjahr erwirtschaftet worden sind, so dass auf der Grundlage von Ausschüttungsbeschlüssen des Jahres 2001 Erträge des Jahres 2000 ausgekehrt werden. Diese systematische Korrespondenz der Behandlung von Gewinnausschüttungen gilt auch für Veräußerungsgewinne (vgl. dazu auch BFH-Beschluss vom 14. Februar 2006 VIII B 107/04, BFHE 212, 285, BStBl II 2006, 523). Denn § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG unterwirft das Ergebnis aus der Veräußerung von Beteiligungen bei Kapitalgesellschaften dem Halbeinkünfteverfahren, weil die Veräußerung einer Beteiligung einer Totalausschüttung wirtschaftlich gleichkommt (BFH-Urteil vom 27. Oktober 2005 IX R 15/05, BFHE 211, 273, BStBl II 2006, 171).
Rz. 36
Bei Auslandsbeteiligungen bestand weder ein Abstimmungsbedarf mit dem bisherigen System der Körperschaftsteuer noch waren mangels zeitlicher Koordination Steuerausfälle zu besorgen. Vielmehr konnten bei Auslandsbeteiligungen das Halbeinkünfteverfahren ohne Übergangsregelung sofort in Kraft gesetzt werden (so zutreffend BFH- Beschluss in BFH/NV 2004, 1650, m.w.N.).
Rz. 37
4. Dem FG ist im Ergebnis auch darin beizupflichten, dass die Besteuerung des Veräußerungsgewinns nicht europarechtswidrig ist. Im Streitfall kommt eine Verletzung des Art. 56 des EG-Vertrages in der Fassung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997, Nr. C-340/1 (Kapitalverkehrsfreiheit = Art. 63 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Amtsblatt der Europäischen Union 2008, Nr. C 115/47) nicht in Betracht, weil die Ungleichbehandlung von Inlandsbeteiligungen und Auslandsbeteiligungen zur Wahrung der Kohärenz des Steuersystems durch den Übergang vom Anrechnungsverfahren auf das Halbeinkünfteverfahren aus den oben (3.b, bb, ddd) dargelegten Gründen sachlich gerechtfertigt ist (vgl. dazu das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ―EuGH― vom 18. Dezember 2007 Rs. C-436/06, Grønfeldt und Grønfeldt, Slg. 2007, I-12357).
Rz. 38
Überdies ist die Kapitalverkehrsfreiheit schon deshalb nicht betroffen, weil es im Streitfall an dem notwendigen Auslandsbezug fehlt. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des EuGH und des BFH, dass die Grundfreiheiten auf rein interne Sachverhalte eines Mitgliedstaats nicht anwendbar sind (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 26. Januar 1993 Rs. C-112/91, Werner, Slg. 1993, I-429; BFH-Urteil vom 15. Juli 2005 I R 21/04, BFHE 210, 43, BStBl II 2005, 716, m.w.N.). Eine sog. (umgekehrte) Inländerdiskriminierung und damit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG entfällt (s. oben unter 3.b, bb., ddd, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 2570490 |
BFH/NV 2011, 356 |
BFH/PR 2011, 83 |
BStBl II 2011, 409 |
BFHE 2011, 173 |
BFHE 231, 173 |
DB 2011, 147 |
DStR 2011, 16 |
DStRE 2011, 189 |
HFR 2011, 166 |