Die derzeitige Entwicklung spielt dem Einkauf mit seinen spezifischen Zielsetzungen in die Hände. Denn aktuell und wohl noch auf Sicht der kommenden Jahre wird es neue Herausforderungen geben, etwa Materialknappheit, Versorgungsengpässe, ständige Preissteigerungen in vielen Bereichen und fehlende Transportkapazitäten. Das macht es für alle Beteiligten erforderlich, die strategische Ausrichtung und damit auch die Kennzahlenauswahl bzw. deren Interpretation und Aussagekraft zumindest in Teilen zu überdenken.
Die aktuellen Entwicklungen sind nicht nur eine Herausforderung, sondern sie bieten allen Beteiligten die Chance, sich zusammenzusetzen, die Dinge neu zu bewerten und am Ende eine gemeinsame (neue) Linie zu finden.
Planung und Steuerung im Einkauf mit Kennzahlen
Eine Möglichkeit, wie man im Unternehmen dabei schrittweise vorgehen kann, zeigt Abb. 1. Begonnen werden sollte mit der Bestandsaufnahme. Dann müssen, soweit die Notwendigkeit besteht, Ziele und Strategien überarbeitet werden. Und es sind geeignete Kennzahlen zu erheben oder zu generieren, mit denen sich der Einkauf steuern lässt. Bei Abweichungen von den Zielen oder wenn die Kennzahlenausprägungen sich verschlechtern, müssen Maßnahmen ergriffen werden. Der Prozess sollte jährlich wiederholt werden.
Abb. 1: Mögliche Vorgehensweise zur Steuerung des Einkaufs mit Kennzahlen
2.1 Schritt 1: Bestandsaufnahme durchführen
Am besten ist es, wenn Einkauf, Logistik und Controlling zunächst eine Bestandsaufnahme durchführen und sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob man die aktuelle Vorgehensweise beibehalten kann oder Ziele und Strategien ändern muss. Dabei kann es helfen, u. a. folgende Fragen ehrlich zu beantworten:
- Gibt es bereits Ziele im Einkauf? Wie lauten diese?
- Wird nach den Zielen gearbeitet und wird versucht, diese zu erreichen?
- Hat sich der Materialkostenanteil (im weiteren Verlauf sind alle Positionen der GuV / BWA Material/ Wareneinkauf gemeint) am Umsatz bzw. hat sich der Rohertrag relativ zum Umsatz in den letzten 2-3 Jahren geändert? Wenn ja, in welche Richtung (höher / niedriger)?
- Worauf sind evtl. Änderungen zurückzuführen, auf Mengen- oder Preisänderungen, einer Kombination von beiden (wenn ja, mit welchem Anteil?)?
- Gibt es spezifische Kennzahlen, mit denen im Einkauf geplant und gesteuert wird? Welche?
- Ist die Zusammensetzung (Formeln) der Kennzahlen allen Beteiligten bekannt und auch, wie sich Veränderungen bei Zähler oder Nenner auswirken?
- Wird darauf geachtet, dass nicht "nur" monetäre Kennzahlen zum Einsatz kommen?
- Erfüllen die bereitgestellten Kennzahlen den Informationsbedarf von Einkauf und Controlling?
- Gibt es ggf. zusätzlichen Informationsbedarf? Wie sieht dieser aus?
- Gibt es Veränderungen – oder sind diese absehbar – die zu höheren Beschaffungspreisen, Engpässen oder Verzögerungen bei aktuellen oder künftigen Lieferungen führen? Welche sind das genau?
- Gibt es Beschaffungsgüter, die besonders zu einer Verschlechterung beitragen? Welche sind das konkret?
- Gibt es Lieferanten, die besonders zu einer Verschlechterung beitragen? Welche sind das genau?
- Gibt es andere Faktoren, die zu einer Verschlechterung beitragen, z. B. schlechte Verfügbarkeit von Spediteuren bzw. Kapazitäten?
- Sind von Veränderungen und Maßnahmen auch andere Bereiche, etwa die Produktion oder der Verkauf betroffen? Wie macht sich das bemerkbar?
- Wird davon ausgegangen, dass die Veränderungen anhalten oder sich ausweiten?
- Wurde im Einkauf bereits reagiert bzw. ist das geplant? Wenn ja, was wurde getan oder soll getan werden?
- Sind im Einkauf die Folgen der Veränderungen für übergeordnete Unternehmensziele bekannt?
- Werden mindestens 90 % der Materialien durch den Einkauf beschafft (Gibt es klare Vorgaben dazu, wer überhaupt in welcher Lage einkaufen darf?)?
- Sind die Mitarbeiter im Einkauf zufrieden und identifizieren sich mit der Arbeit?
- Funktionieren Kommunikation und Austausch zwischen Einkauf, Logistik, Produktion, Controlling und ggf. anderen Bereichen?
Kennzahlen als Anlass für intensive Kommunikation nutzen
Natürlich sollte das Controlling wissen, welche Kennzahlen in Einkauf und Logistik eingesetzt werden, wie die Ausprägungen der Kennziffern sind und ob und welche Veränderungen es gibt. Die Bestandsaufnahme ist dennoch unabdingbar, um zu einer verbesserten Kommunikation mit dem Einkauf zu kommen und den hier Arbeitenden Zusammenhänge und Folgen unterschiedlicher Vorgehensweisen noch einmal näherzubringen. Ggf. sollte das mit Beispielen belegt werden:
- Was passiert, wenn bei gleichbleibendem Umsatz der Materialverbrauch/-kosten um 5 % steigen?
- Was sind die Folgen für Gewinn und Liquidität?
- Welche Folgen hat es, wenn die Lagerbestände um einen Betrag X steigen?
Die Praxis zeigt, dass man mit solchen oder ähnlichen Beispielen die Zusammenhänge gut darstellen und das Verständnis in den Fachabteilungen nicht nur im Einkauf verbessern kann. Außerdem bieten derartige Gespräche mit Fachabteilungen dem Controlling eine gute Möglichkeit, noch mehr über die Zusammenhänge, die Besonderheiten und die Arbeitsweise in...