Leitsatz
Der Ausschluss von Ausländern von der Kindergeldberechtigung gilt entgegen § 62 Abs. 2 EStG i.d.F. des JStG 1996 nicht für solche ausländische Eltern, die auf unbestimmte Zeit aus humanitären Gründen nicht abgeschoben werden können und die sich seit mindestens einem Jahr ununterbrochen in Deutschland aufhalten.
Sachverhalt
Die Klägerin ist Staatsbürgerin der Elfenbeinküste. Sie hatte im Jahr 1999 einen Deutschen geheiratet und lebt seitdem in der BRD. Seit August 2002 hält sich auch der 1988 geborene Sohn der Klägerin im Inland auf. Noch vor der Klärung des aufenthaltsrechtlichen Status der Klägerin reichte der Ehemann die Scheidung ein. Vor dem Hintergrund des anhängigen Scheidungsverfahrens erließ die Ausländerbehörde am 19.11.2002 eine Ausweisungsverfügung, welche aus humanitären Gründen nicht vollzogen wurde. Im April 2003 wurde der Klägerin eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) erteilt. Der im April 2003 gestellte Antrag auf Kindergeld für den Sohn wurde abgelehnt, da die Klägerin weder im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Aufenthaltserlaubnis sei. Da nicht festgestellt werden könne, dass die Klägerin einer Erwerbstätigkeit nachgehe, seien auch die Voraussetzungen der rückwirkend anzuwendenden Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG nicht gegeben.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG steht der Klägerin das beantragte Kindergeld zu, weil die Ausweisung der Klägerin auf unbestimmte Zeit nicht möglich ist und sie sich seit über einem Jahr geduldet in der BRD aufhält. Die Kindergeldberechtigung ergibt sich aus § 62 Abs. 2 EStG i.d.F. des JStG 1996, der vor dem Hintergrund des BVerfG-Beschlusses vom 6.7.2004, 1 BvL 4/97 entgegen seinem Wortlaut einschränkend dahin auszulegen ist, dass der Ausschluss von Ausländern von der Kindergeldberechtigung nicht für solche ausländische Eltern gilt, die auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden können und die sich seit mindestens einem Jahr ununterbrochen in Deutschland aufhalten. Entgegen der Ausführungen des BFH im Urteil vom 15. 3. 2007, III R 93/03 lehnt das FG die Anwendung der Neufassung des 62 Abs. 2 EStG vom 13. 12. 2006 auf den Streitfall ab, weil er deren Erstreckung auf Altfälle durch die Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 61a Satz 2 EStG für verfassungsrechtlich unzulässig hält. Die Voraussetzungen, unter denen Kindergeld für Ausländer gewährt wird, mussten aufgrund der Entscheidung des BVerfG vom 6. 7. 2004 bis zum 1.1.2006 geändert werden. Falls diese Frist nicht eingehalten wird, soll nach der Vorgabe des BVerfG das bis Ende 1993 geltende Recht zur Anwendung kommen. Danach hatten auch lediglich nur geduldete Ausländer ab einem Aufenthalt von einem Jahr einen Anspruch auf Kindergeld. Da der Gesetzgeber die Neuregelung erst 13. 12. 2006 beschlossen hat, darf er nach Auffassung des FG den klaren Sanktionsanspruch des BVerfG nicht durch eine Anwendungsvorschrift (hier § 52 Abs. 61a Satz 2 EStG) umgehen.
Hinweis
Weil der BFH (Urteil v. 15.3.2007, III R 93/03) keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Neuregelung hatte, hat das FG die Revision zugelassen, welche unter dem Az. III R 43/07 beim BFH anhängig ist. Wegen der verfassungsrechtlich unzulässigen Erstreckung der Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG auf Altfälle durch die Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 61a Satz 2 EStG sind folgende weitere Revisionsverfahren beim BFH anhängig: III R 45/07, III R 47/07, III R 53/07, III R 54/07, III R 58/07, III R 59/07, III R 60/07.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Urteil vom 09.05.2007, 10 K 983/04