Leitsatz
Ein volljähriges behindertes Kind mit einem GdB von 25 % kann auch dann nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG für das Kindergeld berücksichtigt werden, wenn es sich wie ein nicht behindertes Kind in Vollzeit in einer "normalen" Berufsausbildung befindet.
Sachverhalt
Die im Jahr 1985 geborene Tochter des Klägers befand sich im Anschluss an die Schulausbildung in Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau. Da die Einkünfte und Bezüge der Tochter einschließlich einer Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 % den Jahresgrenzbetrag in Höhe von 7.680 EUR im Jahr 2005 überschritten, hat die Familienkasse für das Jahr 2005 kein Kindergeld gewährt. Den behinderungsbedingten Mehrbedarf in Höhe des Pauschbetrags nach § 33b Abs. 3 EStG hat die Familienkasse nicht berücksichtigt, weil die Tochter nicht als behindertes Kind i. S. des § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen sei. Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, weil durch die Entscheidung der Familienkasse eine Ungleichbehandlung mit anderen behinderten Kindern gegeben sei. Die Familienkasse beruft sich auf DA 63.3.6.3.1 Abs. 1 der DAFamEStG, wonach bei einem Grad der Behinderung (GdB) von unter 50 die Voraussetzungen für die Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG nicht vorliegen.
Entscheidung
Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG stellt nicht ausschließlich darauf ab, dass ein Kind körperlich, geistig oder seelisch behindert ist; zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung ist es nach Ansicht der Richter unverzichtbar, dass es wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Die Tochter des Klägers verfügte im Jahr 2005 nicht über ausreichende Mittel, um ihren gesamten existenziellen Lebensbedarf zu decken. Den ermittelten Einkünften und Bezügen des Kindes steht ein existenzieller Lebensbedarf in Höhe von 7.990 EUR gegenüber (7.680 EUR Grundbedarf und 310 EUR behinderungsbedingter Mehrbedarf). Diese Deckungslücke zwischen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und notwendigem Lebensbedarf ist ausschließlich auf die Behinderung zurückzuführen. Das FG ist der Auffassung, dass die Behinderung der Tochter nicht die alleinige Ursache für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt sein muss, sondern dass eine - wie im Streitfall vorliegende - Mitursächlichkeit ausreicht.
Hinweis
Gegen das vorstehende Urteil wurde Revision eingelegt, welche unter dem Az. III R 5/08 beim BFH geführt wird. Betroffene sollten in vergleichbaren Fällen gegen die Ablehnung des Antrags auf Kindergeld Einspruch einlegen und auf das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO verweisen.
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.11.2007, 4 K 10515/06 B