Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Der Anspruch auf Kindergeld steht grundsätzlich beiden Elternteilen zu. Für jedes Kind wird aber nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Eine Aufteilung unter mehreren Personen, die die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, findet nicht statt. Vielmehr wird bei mehreren Berechtigten das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Dies betrifft insbesondere den Fall, in dem sich die Eltern trennen und das Kind sodann bei einem von ihnen im Haushalt lebt. Ändern sich die für die Zahlung des Kindes maßgeblichen Verhältnisse durch einen Haushaltswechsel des Kindes, so ist die Festsetzung des Kindergeldes beim bisher Berechtigten vom Zeitpunkt der Änderung an aufzuheben.
Sachverhalt
Die geschiedene Steuerpflichtige bezog im Jahr 2000 Kindergeld für ihre 4 Kinder aus der geschiedenen Ehe. Am 27.10.2000 teilte der geschiedene Ehemann der Kindergeldkasse telefonisch mit, dass die Kinder A und B seit dem 1.9.2000 in seinem Haushalt lebten. Laut Meldebescheinigung des Einwohnermeldeamtes haben die Kinder sich mit Meldung vom 25.9.2000 zum 1.9.2000 im Haushalt des Vaters angemeldet. Das Arbeitsamt hob daraufhin mit Bescheid vom 19.2.2001 die Kindergeldfestsetzung gegenüber der Steuerpflichtigen ab September 2000 für die Kinder A und B mit der Begründung auf, dass der Vater die Kinder in seinen Haushalt aufgenommen habe.
Der von der Steuerpflichtigen eingelegte Einspruch, mit dem sie die Zahlung des Kindergeldes noch für den Monat September begehrte, hatte keinen Erfolg. Das Arbeitsamt vertrat in seiner Einspruchsentscheidung die Auffassung, dass der Vater mit der Aufnahme der Kinder A und B am 1.9.2000 in seinen Haushalt nach § 64 Abs. 2 EStG ab September 2000 den vorrangigen Kindergeldanspruch für diese Kinder habe.
Entscheidung
Das FG hat entschieden, dass der Steuerpflichtigen noch für September 2000 das Kindergeld für die Kinder zusteht. Zwar sei im EStG nicht konkret geregelt, wie zu verfahren ist, wenn ein Kind im Laufe eines Monats den Haushalt wechselt. Die Dienstanweisung des Arbeitsamtes sehe allerdings für diese Fälle vor, dass die Aufhebung des Kindergeldes vom folgenden Monat an vorzunehmen ist, wenn die Änderung nicht zu Beginn, sondern erst im Lauf eines Monats eingetreten sei. Der bisher Berechtigte bleibe also für den Wechselmonat Kindergeldberechtiger. An den neuen Berechtigten solle erst ab dem Haushaltswechsel folgenden Monat gezahlt werden.
Diese Handhabung des Arbeitsamtes sei zutreffend. Die Zahlung des Kindergeldes an denjenigen Berechtigten, der zu Beginn des Monats die Voraussetzungen für den Bezug des Kindergeldes erfüllt habe, führe zur Erfüllung des Kindergeldanspruchs und schließe die Zahlung des Kindergeldes an denjenigen Berechtigten, der die Voraussetzungen für den Bezug des Kindergeldes erst im Laufe des Monats erfülle, aus. Mit der Zahlung des Kindergeldes zu Beginn des Monats nehme die Kindergeldkasse eine Leistung mit befreiender Wirkung vor, da Kindergeld grundsätzlich für einen Monat gezahlt werde und die Anspruchsberechtigung schon dann gegeben sei, wenn die Voraussetzungen für die Zahlung an einem Tag des Monats vorlägen.
Allerdings sei der Auffassung des Arbeitsamtes, ein Haushaltswechsel des Kindes am ersten Tag eines Monats genüge, um das Kindergeld an denjenigen Berechtigten auszuzahlen, in dessen Haushalt das Kind gewechselt sei, nicht zutreffend. Ein Haushaltswechsel am ersten Tag eines Monats sei ein Wechsel im Laufe des Monats, so dass dem Berechtigten, zu dem die Kinder umgezogen seien, das Kindergeld erst ab dem Folgemonat zustehe. Da in einem solchen Fall das Kind sich am ersten Tag des Monats, 0 Uhr, noch im Haushalt des ursprünglich Berechtigten befinde, habe dieser für den gesamten Monat Anspruch auf Zahlung des Kindergeldes.
Hinweis
Die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung wird nach § 31 EStG durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch das Kindergeld gewährt. Wird die gebotene steuerliche Freistellung durch das Kindergeld nicht in vollem Umfang bewirkt, sind bei der Einkommensteuerveranlagung die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG bei geschiedenen Elternteilen regelmäßig hälftig abzuziehen. Dabei sind das Kindergeld oder vergleichbare Leistungen nach § 36 Abs. 2 EStG zu verrechnen. Es spielt regelmäßig keine Rolle, welchem Elternteil das Kindergeld gezahlt worden ist. Die Verrechnung erfolgt nämlich unabhängig davon, ob das Kindergeld dem Steuerpflichtigen als Berechtigten ausgezahlt worden ist oder ob es ihm lediglich im Wege eines zivilrechtliches Anspruchs - etwa durch Minderung seiner Barunterhaltsverpflichtung für das Kind - zusteht. Umgekehrt wird der mit dem Ausgleichsanspruch Belastete so behandelt, als habe er nur ein entsprechend vermindertes Kindergeld erhalten.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 26.05.2003, 12 K 296/01