Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
a) Nebenfolgen der Verurteilung
aa) Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts
Rz. 1128
Die Unfähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, ist nach § 45 Abs. 1 StGB die automatische Folge der Verurteilung wegen eines Verbrechens zu einer Mindeststrafe von einem Jahr. Der Begriff des Verbrechens gem. § 45 Abs. 1 StGB ist i.S.v. § 12 Abs. 1 StGB zu verstehen, d.h. unter Verbrechen sind hier rechtswidrige Taten zu verstehen, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind. Die Satzfolge des § 45 Abs. 1 StGB kam daher für das Steuerstrafrecht allein bei dem inzwischen aufgehobenen Verbrechenstatbestand des § 370a AO in Betracht.
Rz. 1128.1
In Betracht kommt für sämtliche Steuerdelikte ein Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen gem. § 45 Abs. 2 StGB: Da die Vorschrift die Aberkennung der genannten Fähigkeiten in das Ermessen des Gerichts stellt, ist diese nicht von den in § 45 Abs. 1 StGB genannten Voraussetzungen abhängig. Allerdings ist § 45 Abs. 2 StGB hinsichtlich der Reichweite von der Anordnung durch Gesetz abhängig, "soweit das Gesetz es besonders vorsieht".
Rz. 1128.2
Dies bedeutet für das Steuerstrafrecht, dass das Ermessen des § 45 Abs. 2 StGB nur in den von § 375 Abs. 1 AO ausdrücklich genannten Fällen eröffnet ist (s. dazu sogleich Rz. 1128.9). Da § 45 StGB, ebenso wie § 375 Abs. 1 AO, ein Strafcharakter nicht abgesprochen werden kann, ist bei der Verhängung einer der dort genannten Rechtsfolgen das Gesamtschuldmaß zu beachten.
Rz. 1128.3
Nach § 45 Abs. 3 StGB verliert der Verurteilte mit der Amtsfähigkeit die entsprechenden Rechtsstellungen und Rechte. Nach Abs. 4 gilt Entsprechendes für Rechte und Rechtspositionen, die aus öffentlichen Wahlen hervorgegangen sind. Der Verlust der Mitgliedschaft im Bundestag setzt jedoch einen Beschluss des Ältestenrates des Bundestages voraus (§ 46 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 47 Abs. 1 Nr. 2 BWahlG). Diese Rechtsfolgen treten sowohl bei einer automatischen Aberkennung nach Abs. 1 als auch bei einer ausdrücklichen Aberkennung nach Abs. 2 ein.
Rz. 1128.4
Öffentliche Ämter in diesem Sinne sind dabei Einrichtungen mit rechtlich abgegrenzten öffentlichen Aufgaben, insb. die Ämter der staatlichen Verwaltung und der Justiz; weiter solche von öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten; dazu zählen nicht ausländische oder kirchliche Ämter.
Rz. 1128.5
Die Unfähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, betrifft nur Wahlen in öffentlichen Angelegenheiten. Es brauchen nicht notwendig solche des Staates zu sein – wie Parlamentswahlen. Es kommen auch andere Wahlen infrage, wenn sie die Betätigung der Verurteilten im öffentlichen Bereich betreffen, so z.B. Wahlen zu den Organen der Sozialversicherungen oder berufsständischen Organisationen, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind (z.B. Industrie- und Handelskammer).
Rz. 1128.6
Nach § 45a StGB, der Regelungen über den Zeitpunkt des Eintritts und die Dauer der Folgen enthält, tritt der Verlust der in § 45 StGB geschilderten Rechte mit der Rechtskraft des Urteils ein. Für die in § 45 StGB vorgesehenen Fristen bestimmt § 45a Abs. 2 StGB, dass sie von dem Tag an zu berechnen sind, an dem die Freiheitsstrafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist.
Rz. 1128.7
Maßgebend ist die Hauptfreiheitsstrafe. Bei freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung, die neben der Freiheitsstrafe angeordnet sind, läuft die Frist erst vom Tag der Erledigung der Maßregel und der Strafe. Im Falle der Aussetzung der Strafe (§ 56 StGB) oder des Strafrests (§ 57 StGB) zur Bewährung oder einer freiheitsentziehenden Maßregel wird in die Frist die Zeit der Aussetzung nachträglich eingerechnet, wenn nach dem Ablauf die Strafe oder der Strafrest nach § 56g StGB erlassen wird oder die Maßregel erledigt ist. Gemäß § 45b StGB können unter den dort normierten Voraussetzungen die aberkannten Rechte wieder verliehen werden.
Rz. 1128.8
Angeordnet werden kann gem. § 375 Abs. 1 AO, § 45 StGB der Verlust der Amtsfähigkeit oder der passiven Wählbarkeit (vgl. zu diesen Begriffen die Erläuterungen soeben zu Rz. 1128.4 f.). Einen Verlust des aktiven Wahlrechts kennt das Steuerstrafrecht also nicht.
Rz. 1128.9
Der Rechtsverlust kann erfolgen, wenn der Täter eine der in § 375 Abs. 1 AO aufgeführten Steuerstraftaten begangen hat und auf eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr erkannt worden ist. Steuerstraftaten dieser Art sind: