Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1217
Nach § 160 AO sind Schulden und andere Lasten, Betriebsausgaben, Werbungskosten und andere Ausgaben regelmäßig steuerlich nicht zu berücksichtigen, wenn der Stpfl. dem Verlangen der Finanzbehörde, die Gläubiger oder Empfänger der Ausgaben genau zu benennen (vgl. AEAO zu § 160 Nr. 1.2 zu "genau"), nicht nachkommt. Empfänger i.S.d. § 160 AO ist derjenige, dem der in der Betriebsausgabe enthaltene wirtschaftliche Wert tatsächlich übertragen wurde, bei dem sich also – wenn auch neben anderen Personen – die Geldzahlung steuerlich auswirkt. Folglich scheiden insbesondere lediglich zwischengeschaltete natürliche und juristische Personen, die vereinnahmte Gelder weiterleiten, als Empfänger i.S.v. § 160 AO aus. Dies gilt ebenso für Subunternehmer. § 160 AO findet in der Praxis vor allem Anwendung auf ausländische Domizilgesellschaften bzw. Basisgesellschaften. In diesen Fällen ist der hinter dem vermeintlichen Empfänger stehende tatsächliche Empfänger zu benennen. Nicht ausreichend ist ebenfalls die Angabe eines Treuhänders, Boten oder Vertreters. Sofern hinsichtlich der Person des Empfängers Ungewissheiten bestehen sollten, gehen diese zu Lasten des Empfängers.
Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, die Besteuerung des Empfängers der Ausgaben zu gewährleisten und somit Steuerausfälle des deutschen Fiskus zu verhindern; die ältere höchstrichterliche Rspr. nannte darüber hinaus als weiteren Zweck das allgemeine Eindämmen eines verwerflichen Geschäftsgebarens. Diese Erwägung dient inzwischen lediglich als Nebenzweck und ist nur noch auf der Ebene der Ermessensausübung relevant. Es handelt sich um eine Art Gefährdungshaftung des Zahlenden. § 160 AO gilt für alle Aufwendungen, die zu Betriebsausgaben führen, also nicht nur für legale Vermittlungsprovisionen, Wareneinkäufe und Anschaffungsgeschäfte, sondern auch für unlauteres, illegales Geschäftsgebaren wie z.B. Bestechungen, Domizil- oder Schwarzgeschäfte. Ebenfalls unter § 160 Abs. 1 Satz 1 AO fallen Ausgaben zum Erwerb aktivierungspflichtiger Wirtschaftsgüter, auch wenn deren steuerliche Auswirkungen erst später erfolgen, sowie Werbungskosten, außergewöhnliche Belastungen, Sonderausgaben und Teilwertabschreibungen. Durchlaufende Posten, fingierte Darlehen bzw. Aufwendungen und Rückstellungen fallen hingegen nicht unter die Regelung des § 160 AO.
Im Hinblick auf den Vorsteuerabzug gilt, dass dieser nur möglich ist, wenn der in der Rechnung angegebene Sitz der GmbH bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungstellung tatsächlich bestanden hat.
Für das Benennungsverlangen ist formal stets die Angabe des vollständigen Namens bzw. der Firma und der Anschrift erforderlich, ohne dass zusätzliche Ermittlungen des Finanzamts notwendig werden. Insofern besteht eine Einschränkung der Ermittlungspflichten der Finanzbehörde. Ausreichend bei einer Empfängergruppe ist es jedoch, wenn die Zahlungsempfänger nach den Gesamtumständen in ihrer Zusammensetzung bekannt sind, sofern sie nicht oder nur teilweise einzeln benannt worden sind. Schließlich muss das Benennungsverlangen auch eindeutig formuliert sein und sich aus ihm eindeutig ergeben, welche Werbungskosten oder Betriebsausgaben gemeint sind. Die insofern gesteigerte Mitwirkungspflicht ergibt sich aus § 90 Abs. 2 AO. Kommt der Steuerpflichtige dem Benennungsverlangen nach, besteht dennoch die Möglichkeit, dass weitere Anstrengungen unternommen werden, den Sachverhalt aufzuklären. Das wiederum kann zu dem Ergebnis führen, dass eine Hinzurechnung trotz Empfängerbenennung erfolgt.
Das Benennungsverlangen setzt zudem voraus, dass aufgrund der Lebenserfahrung die Vermutung naheliegt, dass der Empfänger den Bezug nicht der (deutschen) Besteuerung unterwerfen wird. Anhaltspunkte, die eine solche Vermutung begründen sind beispielsweise Barzahlungen, das Fehlen einer Rechnung, branchentypischer Häufigkeit von Schwarzarbeit oder bei vermuteten Schmiergeldzahlungen. Bei Zahlungen an ausländische Empfänger soll nach AEAO zu § 160 Nr. 4 bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen auf den Empfängernachweis verzichtet werden. Bei ausländischen Domizilgesellschaften ist der Zweck des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO erst erreicht, wenn sichergestellt ist, dass der wirkliche Empfänger der Zahlungen entweder im Inland nicht steuerpflichtig ist oder im Inland seine steuerlichen Pflichten erfüllt hat. Eine (Domizil-)Gesellschaft, die lediglich zwischengeschaltet ist, weil weil sie entweder mangels eigener wirtschaftlicher Betätigung die vertraglich bedungenen Leistungen gar nicht erbringen konnte, ist nicht Empfänger i.S.d. § 160 Abs. 1 Satz 1 AO.
Die Vorschrift ist bei Bauleistungen nicht anzuwenden. § 48 Abs. 4 EStG ist zu beachten. Nach dem BMF-Schreiben vom 19.7.2022 betreffend den Steuerabzug von Vergütungen für im Inland erbrachte Bauleistungen (§§ 48–48d EStG) ist u.a. § 160 Abs. 1 Satz 1 AO nicht anzuwend...