Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1685
Ein sog. vermögensverwaltender Versicherungsvertrag liegt gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 5 EStG vor, wenn kumulativ:
- 1. eine gesonderte Verwaltung von speziell für diesen Vertrag zusammengestellte Kapitalanlagen vereinbart wurde und
- 2. diese nicht auf öffentlich vertriebene Investmentfondsanteile oder Anlagen, die die Entwicklung eines veröffentlichten Indexes abbilden, beschränkt ist und
- 3. der wirtschaftlich Berechtigte unmittelbar oder mittelbar über die Veräußerung der Vermögensgegenstände und die Wiederanlage der Erlöse bestimmen kann.
Die Voraussetzungen der Nr. 1 und 2 ergeben sich i.d.R. aus dem Versicherungsantrag und der Versicherungspolice ggf. unter Hinzuziehung der weiteren Versicherungsbedingungen. Sofern diese beiden Voraussetzungen vorliegen, wird in der Praxis oft um die Voraussetzung Nr. 3 gestritten.
Rz. 1686
Unmittelbarer Einfluss durch die Versicherungsnehmer (wirtschaftlich Berechtigter) liegt hierbei meist nicht vor, da die Versicherungsnehmer i.d.R. z.B. keine konkreten Anlageentscheidungen treffen können.
Die Finanzverwaltung unterstellt jedoch in geeigneten Fällen einen mittelbaren Einfluss, also eine sog. mittelbare Dispositionsbefugnis. Eine solche mittelbare Dispositionsmöglichkeit ist insbesondere anzunehmen, wenn die Anlageentscheidungen von einem Vermögensverwalter getroffen werden, der durch den wirtschaftlich Berechtigten beauftragt wurde, der wirtschaftlich Berechtigte einen Wechsel in der Person des Vermögensverwalters verlangen kann und eine individuelle Anlagestrategie zwischen dem Versicherungsunternehmen oder dem Vermögensverwalter und dem wirtschaftlich Berechtigten vereinbart wird.
Rz. 1687
Wird ein bereits vorhandenes Depot in einen Versicherungsvertrag dergestalt eingebracht, dass die Depotführung und die Vermögensverwaltung beim bisherigen Kreditinstitut oder dem bisherigen Vermögensverwalter verbleiben, geht die Finanzverwaltung i.d.R. von einer weiter bestehenden Dispositionsmöglichkeit des wirtschaftlich Berechtigten aus. Es gelte insoweit die – widerlegbare – Vermutung, dass der wirtschaftlich Berechtigte aufgrund einer gewachsenen und weiterhin bestehenden Geschäftsbeziehung Einfluss auf die Anlageentscheidungen ausüben kann. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Rechtsfrage liegt bisher nicht vor.
Rz. 1688
Die Indizien – Einbringung vorhandenes Depot und Beibehaltung bisheriger Vermögensverwalter – mit der für den Stpfl. nachteiligen Vermutung können widerlegt werden.
Rz. 1689
In seinem Urteil vom 27.8.2015 hat das FG Köln für eine Versicherung, in die ein bestehendes Depot eingebracht wurde und bei derselben Bank weitergeführt wurde, einen vermögensverwaltenden Versicherungsvertrag angenommen. Das Vermögen wurde gemäß der bereits bestehenden (und für den Vertrag gewünschten) Anlageform und Anlagestrategie (bisheriges Depot) weiterverwaltet. Die von dem Verfahren betroffene Versicherungsgesellschaft konnte diese Vermutung weder mit ihren AVB noch mit einer schriftlichen Auskunft wiederlegen. Die Versicherungsgesellschaft bestätigte zwar schriftlich, dass ihren Versicherungsnehmern kein unmittelbarer oder mittelbarer Einfluss auf die Anlagestrategie gewährt werde und die Vereinbarung einer individuellen Anlagestrategie nicht möglich sei. Mit diesem allgemeinen Schreiben, das auf alle Versicherungsnehmer bezogen war, konnte die Versicherung nach Ansicht des FG Köln die Vermutung einer weiter möglichen Einflussnahme auf die Anlageentscheidungen nicht widerlegen. Denn die Ausführungen betrafen die von der Versicherung vertriebenen Versicherungspolicen im Allgemeinen, ohne die konkrete Fallgestaltung des klagenden Versicherungsnehmers zu beleuchten und die hieraus resultierenden Schlussfolgerungen zu widerlegen. Zur Widerlegung der mittelbaren Dispositionsbefugnis ist im Umkehrschluss zu dem Urteil des FG Köln eine verbindliche Aussage in Bezug auf den betroffenen Versicherungsnehmer zu seinem konkreten Sachverhalt erforderlich und AVB, die einen Einfluss ausschließen.
Rz. 1690
In einem anderen Verfahren hat das FG Köln einen Versicherungsvertrag einer anderen Versicherung nicht als vermögensverwaltenden Vertrag eingestuft und steuerlich anerkannt. Dort wurde kein Depot übertragen, sondern eine Bareinzahlung erbracht. Ferner wurde eine standardisierte Anlagestrategie vereinbart. Die dortigen Versicherungsnehmer konnten nach den AVB ausdrücklich keinen direkten Einfluss auf die Auswahl und die Verwaltung der Vermögenswerte, die ihrem Versicherungsvertrag anteilsmäßig zuzuordnen waren, nehmen und insbesondere auch keine unmittelbaren oder mittelbaren Weisungen hinsichtlich der Veräußerung der Vermögensgegenstände und der Wiederanlage der hieraus erzielten Erlöse erteilen. Ebenso wenig besaßen die Versicherungsnehmer ein Weisungsrecht zur Vornahme einzelner Vermögensdispositionen und etwaiger Vermögensumschichtungen und konnten weder unmittelbar noch m...