Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
a) Scheingeschäfte
Rz. 1231
Scheingeschäfte und Scheinhandlungen sind nach § 41 Abs. 2 AO für die Besteuerung unerheblich. Gegenstand der Besteuerung ist vielmehr der Sachverhalt, der in Wirklichkeit vorliegt. Nach dem Grundgedanken der wirtschaftlichen Betrachtungsweise knüpft die Besteuerung an die tatsächlichen und nicht an die vorgetäuschten Gegebenheiten an.
Rz. 1232
Ein Scheingeschäft im steuerlichen Sinne liegt vor, wenn eine Willenserklärung einem anderen gegenüber abgegeben wird und beide Teile sich darüber einig sind, dass das Erklärte in Wirklichkeit nicht gewollt ist, die Rechtswirkungen des Geschäfts zwischen ihnen also gerade nicht eintreten sollen. § 41 AO entspricht § 117 BGB. Ein Geschäft kann nicht zugleich zivilrechtlich gewollt und steuerrechtlich nicht gewollt sein.
"Gemäß § 41 Abs. 2 AO sind Scheingeschäfte und Scheinhandlungen für die Besteuerung unbeachtlich. Empfangsbedürftige Willenserklärungen, die mit Einverständnis des Erklärungsempfängers nur zum Schein abgegeben werden, sind nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig. Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn sich die Vertragsbeteiligten über den Scheincharakter des Rechtsgeschäfts einig sind und das Vereinbarte nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien keine Geltung haben soll [...]".
"Der Begriff des Scheingeschäfts entspricht der Definition in § 117 BGB (Senatsbeschluss v. 31.1.2002 – V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl. II 2004, unter II.4.c). Ein Scheingeschäft liegt danach vor, wenn die Vertragspartner einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, die mit diesem Rechtsgeschäft verbundenen Rechtswirkungen aber nicht eintreten lassen wollen (Beschluss des BGH v. 20.3.2002 – 5 StR 448/01, DStRE 2002, 781; Fischer in H/H/Sp, AO § 41 Rn. 153)".
Rz. 1232a
Nach der Rspr. wird der auf den Abschluss eines Scheingeschäfts gerichtete Wille der Beteiligten im Wege des Rückschlusses aus äußeren Tatsachen festgestellt, wenn die Beteiligten die notwendigen Folgerungen aus dem Vertrag bewusst nicht ziehen. Werden einzelne Teile der Vereinbarung vollzogen, so lässt sich daraus schließen, dass die Beteiligten nur diesen Teil gewollt haben und im Übrigen ein Scheingeschäft vorliegt, etwa bei Scheinabreden über den Kaufpreis oder Arbeitslohn (s. aber auch Rz. 1235 zu Rechtsverhältnissen zwischen Angehörigen).
Demgegenüber ist das Umgehungsgeschäft dadurch gekennzeichnet, dass die zivilrechtlich vereinbarte Gestaltung tatsächlich durchgeführt wird. Die Beurteilung, ob ein Scheingeschäft vorliegt, obliegt dem Tatrichter. Er hat die wesentlichen dafür und dagegen sprechenden Umstände im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen und in seine Gesamtwürdigung einzubeziehen, so dass die Schlussfolgerung nicht nur eine Annahme oder bloße Vermutung ist; unter dieser Voraussetzung ist die Würdigung vom Revisionsgericht hinzunehmen. Zur Feststellung eines Scheingeschäfts ist also zu prüfen, ob aus der unterbliebenen Realisierung einer getroffenen Abmachung folgt, dass die Beteiligten ein ihrem erklärten Willen entsprechendes Geschäft nicht schließen und die vereinbarten Rechtsfolgen nicht herbeiführen wollten.
Beispiele
- Treuhandverträge werden zwar formwirksam geschlossen, sollen faktisch aber nicht durchgeführt werden.
- Arbeitsverträge werden nur formal abgeschlossen, um auf diesem Weg Mehrarbeiten für einen anderen Arbeitgeber abrechnen zu können.
- Betriebsausgaben bzw. Vorsteuern für Ankäufe von Paletten und anderen Transportbehältnissen werden geltend gemacht, die tatsächlich nicht erfolgten. Hiermit soll die "Steuerlast" reduziert und verdeckt werden, dass zu deutlich geringeren Preisen Paletten und andere Transportbehältnisse bei Dritten "schwarz" eingekauft wurden. Um das zu ermöglichen, hatte ein Dritter einen Gewerbebetrieb für den Handel mit Paletten angemeldet und gegen Zahlung einer Provision Scheinrechnungen und Lieferscheine über in Wirklichkeit nicht erfolgte Lieferungen an den Angeklagten erstellt.
- Der Erwerb von Platinmünzen zu eigener Verfügungsgewalt durch vorgeschobene Strohfirmen ist ersichtlich nicht gewollt.
- Geschäfte zwischen einem (vorgeschobenen) Strohmann (s. Rz. 1234) und dem Leistungsempfänger sind umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich, wenn der Strohmann und der Leistungsempfänger einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem Hintermann eintreten sollen. Veräußern hingegen Mittelsmänner in eigenem Namen Gegenstände und gehen die Erwerber davon aus, rechtsgeschäftliche Beziehungen mit diesen Mittelsmännern zu begründen, liegt kein Scheingeschäft vor.
- Rechnungsketten werden unter Beteiligung von Unternehmen geschaffen, die zwar keine unternehmerische Tätigkeit ausüben, gegenüber den FinB aber vorspiegeln, tatsächlich Handel zu betreiben.
- Wird zur Verschleierung der Veräußerung von Anteilen ...