Rz. 135
Wird durch eine der in § 78c Abs. 1 StGB, § 376 Abs. 2 AO genannten Maßnahmen die Verjährung unterbrochen, so beginnt mit dem Tag der Unterbrechungshandlung die Frist von Neuem voll zu laufen (§ 78c Abs. 3 Satz 1 StGB). Um zu verhindern, dass durch beliebig oft wiederholbare Unterbrechungsmöglichkeiten die Verjährung einer Straftat letztlich ausgeschlossen wird, bestimmt aber § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB eine absolute Grenze: Ist seit dem Beginn der Verjährung (s. Rz. 66 ff.) mehr als das Doppelte der gesamten Verjährungsfrist vergangen, tritt in jedem Fall Verjährung ein. Steuerstraftaten mit einer regelmäßigen fünfjährigen Verjährungsfrist verjähren damit absolut nach zehn Jahren, Steuerhinterziehungen nach § 376 Abs. 1 AO – als besonders schwer benannte – verjähren absolut nach 37,5 Jahren (Rz. 18). Bei Berechnung dieser Höchstfrist ist die Zeit, während derer die Verjährung gem. § 78b StGB ruht, nicht zu berücksichtigen (§ 78c Abs. 3 Satz 3 StGB; s. Rz. 167 ff.).
Rz. 136
Verjährungsunterbrechende Wirkung kommt nur den Amtshandlungen zu, die sich gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten wegen einer bestimmten Tat richten, die im Zuständigkeitsbereich der Verfolgungsbehörden liegen und die bestimmt und geeignet sind, den Fortgang des Verfahrens gegen den Täter zu fördern. Das bedeutet im Einzelnen:
1. Persönliche Wirkung
Rz. 137
Von der Unterbrechung der Verjährung ist nur die Person betroffen, auf die sich die Unterbrechungshandlung bezieht (§ 78c Abs. 4 StGB). Die Unterbrechungshandlung muss hinreichend deutlich erkennen lassen, gegen wen sie sich jeweils richtet. Sie braucht zwar nicht den Täter namentlich zu bezeichnen, er muss aber individuell bestimmbar sein. Nach OLG Hamburg ist bei Auslegung der Anordnung eine Begrenzung des Wirkungsbereichs nicht schon dann anzunehmen, wenn im Rubrum des Beschlusses nur ein bestimmter Beschuldigter genannt worden ist. Es genüge, wenn sich die Identität der Person aus den Akten ergebe. Insoweit soll sich die Unterbrechungswirkung z.B. eines – wirksamen – Durchsuchungsbeschlusses auch auf Mitbeschuldigte beziehen, die von der Durchsuchung nicht betroffen aber erkennbar auch gemeint sind; dem kann entgegengehalten werden, dass eine Beschränkung des Rubrums gerade die Beschränkung des Verfolgungswillens kennzeichne. Untauglich zur Unterbrechung der Verjährung ist hingegen eine Strafverfolgung gegen "Unbekannt" oder gegen "namentlich nicht bekannte Kapitalanleger". Wird ein Tatverdächtiger durch eine in § 78c StGB genannte Maßnahme ermittelt, so war diese noch nicht auf ihn als Beschuldigten angeordnet, so dass es einer eigenständigen Unterbrechungshandlung bedarf.
Den Anforderungen an die Bestimmtheit ist nicht Genüge getan, wenn sich die Verfolgungsmaßnahme (z.B. ein Durchsuchungsbeschluss, § 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB) "gegen die Verantwortlichen" eines Unternehmens richtet, selbst wenn danach nur die Vorstandsmitglieder in Betracht kommen. Nichts anderes gilt, wenn laut Durchsuchung gegen (inexistente) eingetragene Geschäftsführer wegen Steuerhinterziehung ermittelt wird, der existente faktische Geschäftsführer aber nicht benannt wird. Löst die Straftat einer natürlichen Person die Haftung einer juristischen Person nach § 30 OWiG aus, so gilt im Verfahren gegen die juristische Person die sog. akzessorische Verjährung. Diese stellt eine Parallelität der Verjährung gegen den Verband mit der Verjährung gegen die Leitungsperson her; solange gegen den Verband kein selbständiges Verfahren geführt wird, schlagen verjährungsunterbrechende Maßnahmen gegenüber der Leistungsperson auf den Verband durch. Wird gegen den Verband ermittelt, ohne dass zugleich auch ein Verfahren gegen eine Leitungsperson geführt wird – sog. selbständiges Verfahren – gelten die Regeln zur Unterbrechung entsprechend, vgl. § 30 Abs. 4 Satz 3, § 33 Abs. 1 Satz 2 OWiG.