1. Vorteile einer Tax Compliance
Rz. 422
Insbesondere in größeren Unternehmen ist Tax Compliance ein wichtiger Baustein im allgemeinen internen Kontrollsystem, da gerade aufgrund der Komplexität von Unternehmensstrukturen, Geschäftsbeziehungen und der einzelnen Geschäftsvorfälle die Erfüllung der steuerlichen Pflichten ohne konkrete Vorgaben und Richtlinien schwer einzuhalten und zu überwachen ist.
Rz. 423
Jedoch auch für kleinere und mittelständische Unternehmen kann ein Tax Compliance Management System (Tax CMS) – immer unter der Voraussetzung, dass dieses "effektiv" ist, d.h. dass dieses nicht nur pro forma eingerichtet ist, sondern auch beachtet und dokumentiert wird – vor einer Vielzahl von negativen Konsequenzen schützen oder diese abschwächen.
2. Pflicht zum fristgerechten Handeln
Rz. 424
Bei Fristversäumnissen können u.a. Verspätungszuschläge (§ 152 AO), Säumniszuschläge (§ 240 AO), Verzögerungsgelder (§ 146 Abs. 2b AO), Zwangsgelder (§§ 328, 329 AO) oder im Einzelfall auch Schätzungen (§ 162 AO) drohen. Je nach Situation kann hier ein Tax CMS insoweit Abhilfe schaffen, als dass zum einen ein Instrument vorliegt, welches die Verantwortlichen bei der Einhaltung von (Ausschluss-)Fristen unterstützt (präventiver Charakter des Tax CMS). Zum anderen kann aber auch beim Eintreten des Fristversäumnisses z.B. ein Verspätungszuschlag nach § 152 AO vermieden oder gesenkt werden, da dieses Versäumnis ggf. entschuldbar erscheint (§ 152 Abs. 1 Satz 2 AO). Denn durch die Einrichtung eines Tax CMS kann der Stpfl. zumindest seine Bemühungen zur Fristenorganisation dokumentieren.
3. Zügige Informationsbereitstellung gewährleisten
Rz. 425
Kann ein Unternehmen nicht zeitnah die erbetenen Sachverhaltsinformationen vorlegen, kann u.a. die Ermittlungspflicht der FinB begrenzt werden und infolge dessen Zuschläge (§ 162 Abs. 4 AO) verhängt und Schätzungen (§ 162 Abs. 1, 2 AO) durchgeführt werden. Eine "Steuerdatenbank" als Teil eines Tax CMS könnte hier den zeitnahen Zugriff auf steuerrelevante Sachverhalte unterstützen, indem z.B. für das jeweilige Unternehmen relevante Daten, Geschäftsvorfälle, Belege etc. hinterlegt und laufend aktualisiert werden. In der Praxis haben Steuerabteilungen unterschiedlichen Zugriff auf Informationen des Unternehmens. Eine Steuerabteilung, die zeitnah in die für das jeweilige Unternehmen steuerlich relevanten Sachverhalte eingebunden wird bzw. deren steuerliche Relevanz prüfen kann, wird die Effektivität des Tax CMS stärken. Entsprechend müssen die jeweiligen Entscheidungsträger dann zeitnah über etwaige steuerliche Konsequenzen unterrichtet werden.
4. Haftung vermeiden
Rz. 426
Auch im Zusammenhang mit Haftungsfragen kann ein solches System das Risiko von Haftungsfällen mindern oder gar verhindern. Durch das Tax CMS können unrichtige und unvollständige Sachverhalte frühzeitig und vor Abgabe der jeweiligen Erklärung erkannt, die Fehler behoben und die Lücken geschlossen werden. Haftung des Vertreters (§ 69 AO), die Haftung des Steuerhinterziehers und des Steuerhehlers (§ 71 AO), die Festsetzung von Zinsen (§§ 233 ff. AO), eine erweiterte Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) und die erweiterten Änderungsmöglichkeiten nach § 173 Abs. 2 AO können vermieden werden. Haftungsfälle können darüber hinaus auch bei Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit von Dritten geschuldeten Steuern (z.B. Lohnsteuer) auftreten (Haftung des Verwaltungshelfers für Steuern Dritter, Haftung des Vertretenen [§ 70 AO], Dritteinziehung [§ 73 Abs. 3 StGB und § 29a Abs. 2 OWiG]). Hier kann ebenfalls das Tax CMS helfen, etwaige Risiken aufzudecken und entsprechend zu handeln.
5. Mediale Folgen von steuerlichen Verfehlungen
Rz. 427
Erhebliche Reputationsschäden können drohen, wenn auch nur der Verdacht auf Steuerhinterziehung – oder andere Pflichtverletzungen – an die Presse gelangt, die gravierender sein können als Zahlungen an die FinB. Nicht kalkulierbar sind dann im Einzelfall die Folgen von etwaigen Ausschlüssen bei Vergabeverfahren oder Abbruch von Geschäftsverbindungen. Große Teile der Politik stellen mittlerweile gerne "Steuersünder" an den Pranger. Journalisten greifen entsprechende Berichte über Unternehmen auf. Insbesondere in Wahlkämpfen ist der "Kampf für Steuergerechtigkeit" ein häufiges Thema.
6. Möglichkeit der effizienteren Betriebsprüfungen
Rz. 428
Im Paradefall eines eingerichteten und funktionierenden Tax CMS kann bzw. sollte dieses m.E. auch positive Auswirkungen auf Art und Umfang einer Betriebsprüfung haben. Durch die Selbstkontrolle und deren Dokumentation sollte sich die Verwaltung im Rahmen der Prüfung im Wesentlichen auf die Überprüfung des Tax CMS konzentrieren. Die bestehende Betriebsprüfungsordnung (BpO) 2000 der Finanzve...