Rz. 86
Das Ruhen der Verjährung bewirkt, dass der Lauf der Verjährungsfrist während der Aussetzung gehemmt wird. Anders als bei der Unterbrechung der Verjährung nach § 78c StGB beginnt die Frist nicht von Neuem zu Laufen, sondern sie läuft vielmehr nach dem Ende des Ruhens der Verjährung weiter. Die vor dem Ruhen verstrichene Zeit wird mithin in die Verjährungsfrist eingerechnet.
Rz. 87
Das Ruhen der Verjährung hemmt nach der zutreffenden h.M. nicht nur den Weiterlauf der Verjährungsfrist gem. § 78 StGB bzw. § 376 Abs. 1 AO, sondern auch den der absoluten Verjährungsfrist i.S.d. § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB. Gemäß § 78c Abs. 3 Satz 3 StGB wird die Zeit des Ruhens nach § 78b Abs. 1 StGB nicht in die absolute Frist eingerechnet.
Damit kann bei Aussetzung des Verfahrens gem. § 396 AO die Steuerhinterziehung auch noch über die gesetzliche Höchstdauer hinaus verfolgt werden, was in der Praxis wegen der beachtlichen Länge der Finanzgerichtsverfahren durchaus geschehen kann.
Rz. 88
Demgegenüber wird ganz vereinzelt die Ansicht vertreten, dass die absolute Verjährungsfrist nach § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB nicht gehemmt werde. Dies wird insbesondere darauf gestützt, dass § 78c Abs. 3 Satz 3 StGB lediglich auf die Ruhensvorschrift des § 78b StGB, nicht hingegen auf § 396 AO verweist. Weiterhin hält Grezesch die von der h.M. vorgebrachten Gründe für nicht überzeugend. Gegen den Grund, dass Steuerstraftaten oftmals erst Jahre nach der Tatbegehung entdeckt werden, führt er an, dass der Steueranspruch nach § 169 Abs. 2 AO zehn Jahre durchsetzbar bleibe, wobei auch das Risiko der Strafverfolgung so lange bestehe. Die Entdeckung der Tat hänge ohnehin vom Zufall ab. Speziell Freiberufler würden nur dadurch ertappt, weil sie Umfang und Wirkungsmöglichkeit finanzamtlicher Kontrollmechanismen unterschätzt hätten. Für diesen Personenkreis reiche dann die absolute Verjährungsfrist aus. Gegen das Hinausschieben der absoluten Verjährung aufgrund der Inanspruchnahme geraumer Zeit bei Anrufung der FG äußert Grezesch Bedenken. Der Grund der Verzögerung liege selten in der Schwere der Rechtsfrage, sondern in der unstimmigen Relation zwischen Fallzahlen und Personalstärke bei Behörden und Gerichten. Zumeist würden die Akten jahrelang nicht bearbeitet, und diese Missstände dürften nicht dem Beschuldigten zum Nachteil gereichen. Das Argument der Inanspruchnahme von geraumer Zeit sei nur dann seriös, wenn die Ursache für die lange Verfahrensdauer im Prozessstoff liege. Dem weiteren Argument, dass das Hinausschieben zur Klärung schwieriger Rechtsfragen gerechtfertigt sei, hält Grezesch entgegen, dass in der Praxis gerade komplexe rechtliche Fragen lange aufgeschoben würden. Eine Aussetzungsentscheidung der BuStra mit der Begründung, dass die schwierige steuerrechtliche Frage von anderer Stelle entschieden werden müsse, mute wie ein Widerspruch in sich an, da doch gerade die Bediensteten dieser Stellen meist über mehr Kenntnisse verfügten als Richter oder Staatsanwälte.
Rz. 89
Die von der Mindermeinung vorgetragenen Gründe überzeugen nicht. Nach Maier ist es durchaus möglich, dass der Gesetzgeber in § 78c Abs. 3 StGB den Hinweis auf § 396 AO vergessen oder übersehen hat. Zudem hat die Erwähnung des § 78b StGB in § 78c Abs. 3 Satz 3 StGB nur deklaratorischen Charakter; die absolute Verjährungsfrist sollte vielmehr nur die Möglichkeit beschränken, durch Unterbrechungsmaßnahmen die Verjährung hinauszuschieben. Der fehlende Hinweis auf § 396 AO bleibt ohne Auswirkungen im Hinblick auf die mit der Aussetzung eintretenden Rechtsfolgen. Meine führt gegen die Ansicht die ratio der Norm an. Es könne nicht vom Gesetzgeber gewollt sein, dass die Verfolgungsverjährung eintrete, wenn er in § 396 Abs. 3 AO ausdrücklich das "Ruhen" der Verjährung anordne, wodurch der verfolgte Zweck, die Verjährung nicht eintreten zu lassen, erreicht werden solle. Seiner Ansicht nach decken sich Wortlaut, Wortsinn und Gesetzeszweck. Aufgabe des § 396 AO sei es, es dem Strafrichter zu ermöglichen, die Entscheidung steuerlicher Vorfragen abzuwarten, ohne den Eintritt der Verfolgungsverjährung befürchten zu müssen. Dies könne nur dadurch erreicht werden, dass während der Dauer der Verfahrensaussetzung auch der Lauf der absoluten Verjährung gehemmt sei. Es sei nicht sinnvoll, wenn ein Gericht nur deshalb nicht aussetze, weil der Abschluss der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vor Ablauf der absoluten Verjährungsfrist unwahrscheinlich sei.