Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
a) Voraussetzungen
Rz. 117
Der in § 79 Abs. 1 Satz 1 OWiG enthaltene Katalog der Zulässigkeitsvoraussetzungen macht deutlich, dass die Rechtsbeschwerde bei weniger bedeutsamen Ordnungswidrigkeiten ausgeschlossen sein soll (Ausnahme: § 80 OWiG). Die Rechtsbeschwerde ist gegen Urteile und Beschlüsse i.S.v. § 72 OWiG nur statthaft, wenn
Ferner ist die Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil zulässig, wenn sie zugelassen wird (§ 79 Abs. 1 Satz 2, § 80 OWiG; s. Rz. 121).
Beispiel
Gegen die X-KG wurde durch Urteil als Nebenfolge eine Geldbuße von 1.500 EUR festgesetzt, weil der vertretungsberechtigte Gesellschafter K es verabsäumt hatte, Steuerabzugsbeträge einzubehalten und abzuführen (§ 30 OWiG i.V.m. § 380 AO). Dieses Urteil kann die X-KG (vertreten durch K) gem. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG mit der Rechtsbeschwerde angreifen.
Beispiel
Die FinB hatte beim AG einen Strafbefehl gegen den Handwerksmeister G wegen vorsätzlicher Einkommensteuerhinterziehung (§ 370 AO) und einer Lohnsteuergefährdung (§ 380 AO) erwirkt (§§ 400, 410 Abs. 2 AO, § 42 Abs. 1 OWiG). Wegen der Steuergefährdung setzte das Gericht eine Geldbuße von 500 EUR fest. Im gerichtlichen Verfahren nach Einspruch gegen den Strafbefehl gelingt es dem K nach Auffassung des Gerichts, die Beschuldigung hinsichtlich der Steuerordnungswidrigkeit zu entkräften. Im Urteil wird K daraufhin vom Verdacht der Steuergefährdung freigesprochen.
Die StA möchte dagegen Rechtsbeschwerde einlegen, doch wäre diese nicht statthaft, da der Beschwerdewert von 600 EUR nicht erreicht ist (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG).
Rz. 118
§ 79 Abs. 2 OWiG enthält eine Sonderregelung für den Fall, dass die Sachentscheidung des Gerichts mehrere Taten im verfahrensrechtlichen Sinne zum Gegenstand hat, die Voraussetzungen der § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–3 und § 80 OWiG jedoch nur hinsichtlich einzelner Taten vorliegen. Die Rechtsbeschwerde kann dann auf diese abtrennbaren Teile beschränkt werden.
b) Form und Frist
Rz. 119
Hinsichtlich Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gelten gegenüber der Revision keine Besonderheiten (vgl. § 79 Abs. 3 OWiG, §§ 341–345 StPO). Die Rechtsbeschwerde ist folglich binnen einer Woche schriftlich (oder zu Protokoll) beim AG einzulegen. Die Frist beginnt mit der Verkündung des Urteils oder – wenn das Urteil in Abwesenheit des (nicht verteidigten) Betroffenen erlassen wird oder bei Entscheidung durch Beschluss (§ 72 OWiG) – mit der Zustellung (§ 79 Abs. 4 OWiG). War der abwesende Beschwerdeführer jedoch nach § 73 Abs. 3 OWiG bei der Verkündung durch einen schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten, so beginnt die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde bereits mit der Verkündung des Urteils (§ 79 Abs. 4 OWiG). Eine nicht form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde verwirft das AG durch Beschluss als unzulässig (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 346 Abs. 1 StPO). Die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 79 Abs. 1 und 2 OWiG darf der Amtsrichter hingegen nicht prüfen. Eine gegen einen Beschluss nach § 72 OWiG eingelegte "Zulassungsbeschwerde" wäre unzulässig (vgl. § 79 Abs. 1 Satz 2, § 80 OWiG); sie ist gem. § 46 Abs. 1 OWiG, § 300 StPO in eine Rechtsbeschwerde umzudeuten, die der Amtsrichter bei Nichteinhaltung von Form und Frist verwerfen kann.
Die statthafte Rechtsbeschwerde hemmt die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 343 StPO).