Leitsatz

Bei der Änderung nach § 165 Abs. 2 AO dürfen regelmäßig alle bei der Festsetzung unterlaufenen materiellen Rechtsfehler beseitigt werden, soweit die Änderung reicht. Dabei dürfen auch solche Rechtsfehler berücksichtigt werden, die nicht mit dem Grund der Vorläufigkeit zusammenhängen.

 

Sachverhalt

Das Finanzamt erließ die Gewinnfeststellungsbescheide 2000 bis 2002 für den von der Klägerin zum 1.7.2000 erworbenen Betrieb hinsichtlich der Aufteilung des Kaufpreises und der hieraus resultierenden AfA nach § 165 AO vorläufig. Nach Vorlage eines Sachverständigengutachtens waren die Abschreibungsgrundlagen und die Mehrabschreibungen unstreitig.

Im Zusammenhang mit der Änderung der Feststellungsbescheide nach § 165 Abs. 2 AO zugunsten der Klägerin korrigierte das Finanzamt einen Rechtsfehler beim Ansatz einer Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG. Im Ergebnis kam es daher nur zu geringfügigen Gewinnminderungen.

Hiergegen wandte die Klägerin im Einspruchsverfahren erfolglos ein, die Berichtigung von materiellen Fehlern nach § 177 AO im Rahmen einer Bescheidänderung aufgrund anders gelagerter Sachverhalte, derentwegen die Feststellungsbescheide punktuell vorläufig nach § 165 AO ergangen seien, sei nach § 177 Abs. 4 AO nicht zulässig.

 

Entscheidung

Das FG entscheidet, dass bei einer Änderung der Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 2 AO grundsätzlich sämtliche materiellen (Rechts-)Fehler, die bei der Festsetzung unterlaufen sind, beseitigt werden dürfen, soweit die Änderung reicht. Das gilt auch für solche Fehler, die nicht mit dem Grund der Vorläufigkeit zusammenhängen.

Auch der Wortlaut des § 177 Abs. 4 AO steht einer solchen Kompensation nicht entgegen, denn nach § 177 Abs. 4 AO bleibt § 165 Abs. 2 AO lediglich unberührt. Damit soll aber nicht die von § 177 Abs. 1 und 2 AO vorgesehene Saldierungsmöglichkeit ausgeschlossen werden. Vielmehr wird nur klargestellt, dass die Möglichkeit der Änderung nach § 165 Abs. 2 AO nicht ausgeschlossen sein soll. Damit läuft im Ergebnis die Vorschrift des § 177 Abs. 4 AO genau genommen ins Leere. In dem Umfang der vorläufig festgesetzten Steuer tritt eine materiell-rechtliche Bestandskraft nicht ein. Eine Fehlerberichtigung ist in diesem Rahmen uneingeschränkt möglich, ohne dass es der Anwendung des § 177 AO überhaupt bedarf.

 

Hinweis

Die Klägerin konnte zwar mit Ihrem Vorbringen hinsichtlich der Fehlerberücksichtigung im Rahmen einer Änderung nach § 165 Abs. 2 AO nicht durchdringen. Gleichwohl hat das FG der Klage stattgegeben, weil es zu der Auffassung gelangte, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Rechtsfehlerberichtigung nicht vorlagen, denn die streitbefangene Existenzgründerrücklage war von der Klägerin zu Recht gebildet worden.

 

Link zur Entscheidung

Niedersächsisches FG, Urteil vom 23.01.2013, 9 K 43/12

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