Eine steuerliche Bestandsaufnahme
[Ohne Titel]
Dr. Christian Bertrand, RA / FASt und Michael Görlich, RA/FASt
Im ersten Teil unserer neuen Kompakt-Aufsatzreihe "Krypto 2 Go" haben wir die technischen Grundlagen erläutert und die wichtigsten Grundbegriffe vorgestellt. Teil 2 vermittelt einen ersten Überblick über die steuerliche Behandlung von Kryptowerten, die in späteren Beiträgen vertieft wird.
1. Rechtsprechung und Finanzverwaltung
Bedenkt man, dass die erste Bitcoin-Transaktion schon am 12.1.2009 erfolgte, ist das Thema erst sehr spät – nach dem ersten Bitcoin-Boom im Jahr 2017 – in den Fokus des Steuerrechts gerückt.
a) Gerichtsentscheidungen
Gerichtsentscheidungen gibt es seit 2019. Sie betreffen allesamt das Einkommensteuerrecht und den Veranlagungszeitraum 2017.
Als erstes hatte sich das FG Berlin-Brandenburg im Jahr 2019 (im einstweiligen Rechtsschutz) mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Bitcoins überhaupt als Wirtschaftsgüter einzuordnen und als private Veräußerungsgeschäfte zu besteuern seien. Das FG hatte daran keine ernstlichen Zweifel.
Anders allerdings das FG Nürnberg ein knappes Jahr später: Das Gericht ging explizit auf die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg ein und sah ernstliche Zweifel an der Wirtschaftsgutsqualität von Kryptowährungen (im Entscheidungsfall: Ether). Jedenfalls bis zu dieser Entscheidung im Jahr 2020 existierte mithin keine einheitliche Rechtsprechung.
Das FG Baden-Württemberg und das FG Köln urteilten im Folgejahr sodann jedoch in gleicher Weise wie das FG Berlin-Brandenburg und verneinten überdies ein strukturelles Vollzugsdefizit.
Im Februar 2023 entschied der BFH schließlich höchstrichterlich, dass
- Kryptowährungen Wirtschaftsgüter seien und
- kein strukturelles Vollzugsdefizit vorliege, das der Erhebung von "Kryptosteuern" entgegenstünde.
Beraterhinweis Zu gewerblichen Einkünften, umsatz-, schenkung- oder erbschaftsteuerlichen Sachverhalten wurden bislang keine Entscheidungen der Finanzgerichte veröffentlicht.
b) Finanzverwaltung
Die Finanzverwaltung befasste sich im Jahr 2018 unter umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten erstmals mit dem Thema und stellte im Ergebnis fest, dass weder beim Umtausch von/in Bitcoin noch bei der Verwendung als Zahlungsmittel Umsatzsteuer anfällt.
Im Mai 2022 veröffentlichte die Finanzverwaltung schließlich ein umfassendes BMF-Schreiben zur ertragsteuerlichen Behandlung von Kryptowerten im Privat- und Betriebsvermögen.
Beraterhinweis Zu schenkung- und erbschaftsteuerlichen Fragen liegen derzeit keine Verwaltungsanweisungen vor.
2. Wirtschaftsgut: ja oder nein?
Die strittige Frage, ob Kryptowerte als Wirtschaftsgüter anzusehen sind, hat der BFH – jedenfalls für die Praxis – mit Urteil vom 14.2.2023 bejaht.
Ablehnende Stimmen berufen sich im Wesentlichen darauf, dass Kryptowerte keinen intrinsischen Wert besäßen, sondern lediglich Signaturketten darstellten.
Beachten Sie: Mag dies unter technischen Gesichtspunkten richtig sein, steht dies einer Subsumtion unter den Begriff des Wirtschaftsgutes nicht entgegen. Der Begriff ist bekanntlich sehr weit und umfasst nicht nur körperliche Gegenstände, sondern auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile, die nach der Verkehrsanschauung einer besonderen Bewertung zugänglich sind.
3. Zivilrechtliches oder wirtschaftliches Eigentum?
Der BFH rechnet Kryptowerte dem (zivilrechtlichen) Eigentümer zu (§ 39 Abs. 1 AO). Dies ist insoweit bemerkenswert, als diese Zuordnung zivilrechtlich noch längst nicht abschließend geklärt ist.
Zur Begründung seines Ergebnisses bedient sich der BFH eines dogmatischen Kunstgriffs (teleologische Extension). "Eigentümer" i.S.d. § 39 Abs. 1 AO ist
- nicht (nur) der dinglich berechtigte Eigentümer i.S.d. § 903 BGB,
- sondern (weiter) der nach Maßgabe des Privatrechts Berechtigte.
Zurechnung bei faktischer Berechtigung: Damit kann auch eine zivilrechtlich nicht oder nur beschränkt übertragbare – wirtschaftlich jedoch werthaltige – Position einer natürlichen Person als "Eigentümer" zugerechnet werden, wenn dieser eine faktische Berechtigung (i.S. einer "unbeschränkte...