Dorothée Gierlich, Dr. Ingo Heuel
Das BMF-Schreiben vom 10.5.2022 schweigt zu der ertragssteuerlichen Einordnung des Liquidity Mining. Hinsichtlich der steuerlichen Behandlung beim sog. Liquidity Mining sind 3 Zeitpunkte zu unterscheiden:
2.3.6.1 Hingabe des Handelspaars in den Liquidity-Pool
Wie ausgeführt, überträgt der Anleger ein von der Defi-Exchange vorgegebenes Handelspaar (Coinpaar), z. B. ETH und DFI, BTC und DFI oder USDT und DFI an die dezentralisierten Börsen (DEX) und stellt dieses Coinpaar der DEX als Liquidität zu Verfügung. Für dieses Coinpaar erhält der Anleger einen sog. Liquidity Provider Token (LP Token), der den Anteil am Liquiditätspool repräsentiert. Diese Liquidity Provider Token selbst sind nicht handelbar.
Die Einstellung des Handelspaar in den Liquidity-Pool stellt nach h. M. im ertragssteuerlichen Sinne eine Veräußerung i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gegen die LP Token dar. Demzufolge sind die Gewinne, die der Steuerpflichtige bei der Zuführung des Handelspaars zum Liquidity-Pool erzielt, zu versteuern, wenn der Steuerpflichtige das Handelspaar (genauer den jeweiligen Coin) innerhalb eines Jahres nach Anschaffung in den Liquidity-Pool einstellt. Die Anschaffungskosten für die LP Token entsprechen dem Wert der eingebrachten Handelspaare zum Zeitpunkt der Zurverfügungstellung an den Liquidity-Pool.
2.3.6.2 Gewinnausschüttungen während des Zeitraums der Beteiligung am Pool
Während des Zeitraums der Beteiligung am Pool erhält der Anleger "Rewards" und der für das eingestellte Handelspaar erhaltene Liquidity-Coin unterliegt Kursschwankungen.
Die Rewards ("Belohnungen"), die der Steuerpflichtige in Form von Transaktionsgebühren erhält, sind u. E. als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG zu versteuern.
Einige Stimmen in der Literatur vertreten die Auffassung, dass es sich bei den Rewards um Einkünfte aus Kapitalvermögen handelt. Dann würden diese nicht mit dem persönlichen Steuersatz, sondern mit dem besonderen Steuersatz der Abgeltungsteuer besteuert. Begründet wird dies damit, dass es sich bei den zur Generierung von Rewards eingesetzten LP Token um nicht handelbare Coins handelt, die mit Fondsanteilen vergleichbar sind und daher unter § 20 EStG fallen. U. E. ist dies unzutreffend, da Coins einer Kryptowährung nicht als Sache i. S. d. § 90 BGB zu bewerten sind und daher kein partiarisches Darlehen vorliegt. Es existiert u. E. auch keine sonstige Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, der ein gesetzliches Zahlungsmittel zugrunde liegt.
Lending- und Staking-Erträge als Kapitaleinkünfte bei Fremdwährungen
Sofern Lending-Erträge oder Staking-Erträge aus der Hingabe eines Coins entstehen, welcher in einem anderen Land als gesetzliches Zahlungsmittel akzeptiert wird und mithin – je nach Rechtsansicht – steuerlich als Fremdwährung zu qualifizieren ist, stellen die Erträge aus dem Lending dieser Coins u. E. Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 EStG dar.
2.3.6.3 Austritt aus dem Pool
Tritt der Steuerpflichtige aus dem Liquidity-Pool (wieder) aus, erfolgt eine Rückführung der LP-Token in das bei der Einstellung in den Pool hingegebene Handelspaar (Coinpaar), z. B. ETH und UNI oder USDT und UNI durch die DEX an den Anleger. Hierbei erhält der Anleger seinen Anteil des bei der Einstellung in den Pool hingegebenen Tradingpaars und die während des Zeitraums der Beteiligung "verdienten" Kryptowährungen aus den eingenommenen Transaktionsgebühren der DEX (rewards) zurück.
Dies stellt ertragsteuerlich eine Veräußerung der LP-Token nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in Coins des Handelspaars (Coinpaar) dar. Die Anschaffungskosten dieser Liquidity-Pool-Token entsprechen dem Wert des bei Eintritt in den Pool hingegebenen Coinpaars. Der Verkaufswert der Liquidity-Coins leitet sich ebenfalls aus der Gegenleistung, also dem Wert der erhaltenen Handelspaars (Coinpaar) ab.
Vom LP-Token ertragsteuerlich losgelöst zu betrachten sind die Coins, die dem Nutzer als Transaktionsgebühren durch den Pool zufließen. Da der Bezug dieser Coins als Reward unter § 22 Nr. 3 EStG fällt, sind diese Coins nach § 23 EStG als angeschafft zu qualifizieren.
Wenn man – entgegen der hier vertretenen Auffassung – der o. g. Auffassung ist, dass die Rewards in Form von Transaktionsgebühren nicht unter § 22 Nr. 3 EStG, sondern unter § 20 EStG fallen, weil es sich bei den LP-Token um nicht handelbare Coins handelt, dann fällt deren Veräußerung nicht unter § 23 EStG, sondern unter § 20 Abs. 2 EStG. Dies gilt sowohl für die durch Rewards erworbenen Coins als auch – im Ergebnis – für die etwaigen Gewinne oder Verluste aus der Wertentwicklung der LP-Token, die durch das hingegebene Handelspaar erworben wurden. Dann würden Erträge nicht mit dem persönlichen Steuer...