Dorothée Gierlich, Dr. Ingo Heuel
Tritt der Steuerpflichtige aus dem Liquidity-Pool (wieder) aus, erfolgt eine Rückführung der LP-Token in das bei der Einstellung in den Pool hingegebene Handelspaar (Coinpaar), z. B. ETH und UNI oder USDT und UNI durch die DEX an den Anleger. Hierbei erhält der Anleger seinen Anteil des bei der Einstellung in den Pool hingegebenen Tradingpaars und die während des Zeitraums der Beteiligung "verdienten" Kryptowährungen aus den eingenommenen Transaktionsgebühren der DEX (rewards) zurück.
Dies stellt ertragsteuerlich eine Veräußerung der LP-Token nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in Coins des Handelspaars (Coinpaar) dar. Die Anschaffungskosten dieser Liquidity-Pool-Token entsprechen dem Wert des bei Eintritt in den Pool hingegebenen Coinpaars. Der Verkaufswert der Liquidity-Coins leitet sich ebenfalls aus der Gegenleistung, also dem Wert der erhaltenen Handelspaars (Coinpaar) ab.
Vom LP-Token ertragsteuerlich losgelöst zu betrachten sind die Coins, die dem Nutzer als Transaktionsgebühren durch den Pool zufließen. Da der Bezug dieser Coins als Reward unter § 22 Nr. 3 EStG fällt, sind diese Coins nach § 23 EStG als angeschafft zu qualifizieren.
Wenn man – entgegen der hier vertretenen Auffassung – der o. g. Auffassung ist, dass die Rewards in Form von Transaktionsgebühren nicht unter § 22 Nr. 3 EStG, sondern unter § 20 EStG fallen, weil es sich bei den LP-Token um nicht handelbare Coins handelt, dann fällt deren Veräußerung nicht unter § 23 EStG, sondern unter § 20 Abs. 2 EStG. Dies gilt sowohl für die durch Rewards erworbenen Coins als auch – im Ergebnis – für die etwaigen Gewinne oder Verluste aus der Wertentwicklung der LP-Token, die durch das hingegebene Handelspaar erworben wurden. Dann würden Erträge nicht mit dem persönlichen Steuersatz, sondern mit dem besonderen Steuersatz der Abgeltungsteuer besteuert.
Das zurückerhaltene Handelspaar ist unabhängig von dem Streit, ob die Rewards unter § 22 Nr. 3 oder § 20 EStG fallen, angeschafft i. S. d. § 23 EStG und löst den entsprechenden Fristlauf aus.
Verlängerung der Spekulationsfrist
Die Reports der dezentralisierten Börse (DEX) sind entsprechend kritisch zu hinterfragen.
Die Frage der Verlängerung der Spekulationsfrist auf 10 Jahre stellt sich nach hier vertretener Ansicht nicht, da beim Eintritt und Austritt aus dem Liquidity-Pool jeweils Veräußerungen i. S. d. § 23 EStG ausgelöst werden.
Teilweise wird in der Literatur die Ansicht vertreten, dass es nur insoweit zu anteiligen Veräußerungen bzw. Erwerben komme, als das Verhältnis des Coinpaars zueinander bei dem Austritt aus dem Pool von dem Verhältnis des Coinpaars zueinander beim Eintritt in den Pool abweicht. In Abhängigkeit von der jeweiligen Gestaltung im Einzelfall erscheint dies u. E. nach den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung zur Wertpapierleihe durchaus vertretbar, da es an einem wirtschaftlichen Übertragungsvorgang fehlen kann.
Bei Vertretung dieser Ansicht stellt sich – soweit Veräußerungen bzw. Erwerbe vorliegen – dann wieder die Frage nach der Verlängerung der Spekulationsfrist auf 10 Jahre.