OFD Frankfurt, Verfügung v. 29.11.2007, S 2246 A - 1 - St 217
1. Allgemeines
Zur freiberuflichen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehört u.a. auch die selbstständig ausgeübte künstlerische Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. H 15.6 „Künstlerische Tätigkeit” EStH) liegt eine künstlerische Tätigkeit dann vor, wenn die Arbeiten nach ihrem Gesamtbild durch eine eigenschöpferische Leistung gekennzeichnet sind, in der die individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine bestimmte künstlerische Gestaltungshöhe erreicht. Da eine künstlerische Tätigkeit in besonderem Maße persönlichkeitsbezogen ist, kann sie als solche nur anerkannt werden, wenn der Künstler auf sämtliche zur Herstellung eines Kunstwerks erforderlichen Tätigkeiten den entscheidenden gestaltenden Einfluss ausübt.
Daneben müssen die auch für einen Gewerbebetrieb geltenden positiven Voraussetzungen Selbstständigkeit, Nachhaltigkeit, Gewinnerzielungsabsicht und Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfüllt sein (H 15.6 „Allgemeines” EStH).
In Künstlergemeinschaften müssen alle Beteiligten – auch Ehegatten – die Künstlereigenschaft besitzen und sich ausschließlich künstlerisch betätigen (vgl. H 15.6 „Gesellschaft” EStH). Dies gilt nicht, wenn die zu beurteilende Tätigkeit gerade ein Zusammenwirken der Beteiligten voraussetzt wie z.B. in den Fällen von Musikorchestern (BFH-Urteil vom 19.8.1982, BStBl 1983 II S. 7).
2. Zweckfreie Kunst
Bei frei schaffenden Künstlern, die zunächst ohne Auftrag und Weisung nach eigenen Vorstellungen eine zweckfreie Schöpfung (Bild, Skulptur, etc.) schaffen und dieses Unikat ggf. anschließend in Ausstellungen präsentieren bzw. veräußern, kann in der Regel bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (v.a. Gewinnerzielungsabsicht) unterstellt werden, dass die Tätigkeit eigenschöpferisch ausgeübt wird und eine bestimmte künstlerische Gestaltungshöhe aufweist.
3. Gebrauchskunst
Von der zweckfreien Kunst abzugrenzen ist die Gebrauchskunst. Dazu gehören auch die Erzeugnisse aus reproduzierender, auftrags- und/oder weisungsgebundener Tätigkeit. Unter die Kategorie Gebrauchskunst fallen u.a. Fotografen, Grafik-, Mode- und Industriedesigner. In diesen Fällen kann nur aufgrund der oben genannten besonderen Kriterien nach den Verhältnissen des Einzelfalles entschieden werden, ob die Tätigkeit des Steuerpflichtigen als eine künstlerische zu werten ist.
4. Verfahren zur Feststellung der Künstlereigenschaft
Die Tätigkeit des Steuerpflichtigen ist durch das FA zunächst in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Dabei ist auf die tatsächlich ausgeübte Gesamttätigkeit abzustellen.
Die Überprüfung des Merkmals eigenschöpferische Arbeit kann durch eine Negativabgrenzung erfolgen. Gegen ein eigenschöpferisches Arbeiten sprechen z.B. ein festes Vertragsverhältnis zum Auftraggeber (Werkvertrag), ins Einzelne gehende Vorgaben/Weisungen des Auftraggebers oder die Vervielfältigung der hervorgebrachten Produkte durch den Steuerpflichtigen. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 23.8.1990, IV R 61/89, HFR 1991 S. 146) ist eine Tätigkeit nicht bereits dann eigenschöpferisch, wenn sie lediglich einer neuen Moderichtung, einem neuen Stilgefühl folgt oder wenn die Formgebung aus dem allgemeinen Formenschatz entnommen ist oder auf bekannte Vorbilder zurückgeht.
Soweit die Tätigkeit des Steuerpflichtigen als nicht eigenschöpferisch einzustufen ist, kann eine Prüfung der künstlerischen Gestaltungshöhe unterbleiben. Falls der Steuerpflichtige nur teilweise eigenschöpferisch tätig ist, ist zu prüfen, ob eine Trennung der einzelnen Tätigkeiten möglich ist (vgl. H 15.6 „Gemischte Tätigkeit” EStH).
Die Beurteilung der künstlerischen Gestaltungshöhe erfordert im Bereich der Gebrauchskunst im Allgemeinen zwar besondere Sachkunde, kann in eindeutigen Fällen jedoch durch das FA in eigener Zuständigkeit vorgenommen werden.
Indizien, die Rückschlüsse auf die künstlerische Gestaltungshöhe zulassen, sind z.B.
- die Vorbildung des Steuerpflichtigen (z.B. abgeschlossenes Hochschulstudium der entsprechenden Kunstrichtung),
- Presseveröffentlichungen (Kritiken) und Rezensionen in angesehenen Zeitungen und Kunstzeitschriften über die Tätigkeit des Steuerpflichtigen oder die Beteiligung an Kunstausstellungen,
- Arbeitsproben (z.B. bisher geschaffener Werke),
- Kunstpreise und Auszeichnungen,
- die Mitgliedschaft in bestimmten Bünden (z.B. im Bund Freischaffender Foto-Designer e.V., Stuttgart) und Verbänden.
Die vorgenannten Indizien rechtfertigen für sich allein jedoch noch keine Anerkennung der Künstlereigenschaft. Die vom BFH geforderte künstlerische Gestaltungshöhe der Erzeugnisse ist nicht bereits dadurch gegeben, dass die Erzeugnisse eigenartig oder technisch vollendet sind und gutes oder sogar bestes handwerkliches Können zeigen (Urteil vom 23.8.1990, IV R 61/89, HFR 1991 S. 146).
Wenn das FA nach der Prüfung der künstlerischen Gestaltungshöhe zum Ergebnis kommt, dass es s...