Kunsthändler S kauft Skulpturen und Gemälde von niederländischen und belgischen Künstlern und verkauft diese in Deutschland an mehreren Standorten. Im Jahr 2014 erwirbt er von der niederländischen Bildhauerin V eine Skulptur zum Preis von 150.000 EUR (brutto). V wendet die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen an. S versteuert in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb. S verkauft die Skulptur an K für 200.000 EUR und wendet dabei die Differenzbesteuerung an. In seiner Umsatzsteuererklärung deklariert er eine Nettomarge von 42.016,81 EUR (50.000 EUR brutto) sowie darauf anfallende Umsatzsteuer von 7.983,19 EUR. Das Finanzamt setzt für diesen Verkauf indes Umsatzsteuer i.H.v. 31.932,77 EUR fest, weil es der Ansicht ist, dass die Differenzbesteuerung nicht angewendet werden könne und daher Umsatzsteuer auf den Verkaufspreis von 200.000 EUR brutto fällig sei. Jedenfalls sei die Umsatzsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb i.H.v. 150.000 EUR aus der Marge herauszurechnen.
Das Finanzamt stützt sich hier mit seinem ersten Argument auf die Vorschrift des § 25a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. a UStG. Danach findet die Differenzbesteuerung keine Anwendung, soweit Lieferungen von Gegenständen betroffen sind, die der Verkäufer aus einem anderen EU-Mitgliedstaat erworben hat und diese Lieferungen an ihn steuerfrei erfolgt sind. Allerdings ist diese Regelung unionsrechtswidrig. Sie schafft eine nicht gerechtfertigte, ungleiche steuerliche Behandlung von Verkäufen von Kunstgegenständen, die allein davon abhängig ist, woher der Wiederverkäufer diese Gegenstände zuvor erworben hat.
Allerdings behält das Finanzamt recht, wenn es der Ansicht ist, dass die Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb sich nicht margenmindernd auswirken darf – heißt, dass diese nicht im Einkaufspreis berücksichtigt wird. Zwar muss nach der deutschen Regelung in § 25a Abs. 3 UStG der Brutto-Einkaufspreis vom Brutto-Verkaufspreis abgezogen werden, also vorliegend 200.000 EUR abzgl. 150.000 EUR. Aber auch diese Regelung ist unionsrechtswidrig, soweit hierdurch die Steuer auf innergemeinschaftliche Erwerbe berücksichtigt wird. Denn aus dem Wortlaut der maßgeblichen Vorschriften der MwStSystRL ergibt sich, dass nur die Umsatzsteuer Bestandteil des Einkaufspreises sein kann, die der Wiederverkäufer an seinen Zulieferer, nicht aber an das Finanzamt gezahlt hat. Dieses Ergebnis ist auch aus systematischen Erwägungen einleuchtend, denn würde man die Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb margenmindernd berücksichtigen, dann könnte der Wiederverkäufer (hier: der S) einerseits die Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb als Vorsteuer abziehen und zugleich diese Vorsteuer "verdeckt" über eine entsprechende Minderung der Marge zurückbekommen. Die hierdurch eintretende Doppelbegünstigung kann nicht im Sinne einer neutralen Umsatzbesteuerung sein.
Daraus folgt, dass S vorliegend die Differenzbesteuerung zwar anwenden darf, allerdings beträgt die Bemessungsgrundlage nicht wie von ihm selbst angegeben 42.016,81 EUR (auf der Grundlage einer Bruttomarge von 50.000 EUR), sondern 62.142,50 EUR, denn die Bruttomarge beträgt vorliegend 200.000 E...