Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat wegen leichtfertiger Erstattung einer Strafanzeige gegen Repräsentanten der Arbeitgeberin. Unbegründeter Antrag der Arbeitgeberin bei unzureichenden Darlegungen zur Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Arbeitgeber ist antragsberechtigt im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG, soweit der Antrag auf eine Pflichtverletzung gestützt wird, die das Verhältnis einzelner Betriebsratsmitglieder oder des gesamten Betriebsrats zu ihm betrifft. Keine Antragsberechtigung liegt hinsichtlich solcher Pflichtverletzungen vor, die im Verhältnis der Betriebsratsmitglieder untereinander oder im Verhältnis zur Belegschaft erfolgen.
2. Es ist davon auszugehen, dass jedenfalls eine leichtfertig erstattete Strafanzeige oder ein leichtfertig gestellter Strafantrag eines Betriebsratsmitgliedes gegen den Arbeitgeber oder seine Repräsentanten eine Verletzung des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) darstellen, wenn ein Bezug zum Handeln als Betriebsrat besteht.
3. Dies kann nach den allgemeinen Grundsätzen zum Ausschluss des Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat führen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds untragbar erscheint. (hier verneint)
Normenkette
BetrVG § 2 Abs. 1, § 23 Abs. 1, § 78 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Brandenburg (Entscheidung vom 21.09.2016; Aktenzeichen 3 BV 11/15) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und zu 3) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 21.09.2016 - 3 BV 11/15 - abgeändert:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
II. Die Kostenanträge des Beteiligten zu 3) werden zurückgewiesen.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten auf Antrag der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) darüber, ob der langjährige Betriebsratsvorsitzende (Beteiligter zu 3) aus dem Betriebsrat (Beteiligter zu 2) auszuschließen ist.
Die Arbeitgeberin betreibt ein kommunales Krankenhaus in Brandenburg. Die letzte Wahl zum Betriebsrat fand am 24.03.2014 statt. Es wurden 13 Mitglieder gewählt, von denen drei freigestellt sind. Zu den freigestellten Betriebsratsmitgliedern gehört auch der Betriebsratsvorsitzende. Die Arbeitgeberin und der Betriebsrat führen seit Jahren zahlreiche Beschlussverfahren.
Am 01.04.2015 fand ein befristeter Streik zur Erzwingung eines Haustarifvertrages bei der Arbeitgeberin statt. Unter dem 09.04.2015 unterzeichnete Frau R., ein Betriebsratsmitglied, einen Aktenvermerk (Bl. 15ff d.A.). Dieser enthält Anschuldigungen gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden bezogen auf den 07.04.2015. Noch am 09.04.2015 erstattete die Arbeitgeberin, vertreten durch den Personalleiter, zusammen mit Frau R. Strafanzeige und Strafantrag gegen den Betriebsratsvorsitzenden und auch ein weiteres freigestelltes Betriebsratsmitglied (Bl. 394 d.A.). Mit E-Mail vom 9.04.2015, 16:58 Uhr, forderte der Personalleiter der Arbeitgeberin u.a. den Betriebsratsvorsitzenden zur Stellungnahme zu den Vorwürfen von Frau R. bis zum 14.04.2015 auf. Dieser äußerte sich unter dem 13.04.2015 (Bl. 19f d.A.).
Unter dem 13.04.2015 unterzeichnete Frau Sch., eine Beschäftigte, einen Aktenvermerk mit Anschuldigungen auch gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden hinsichtlich eines Vorfalls aus dem Frühjahr 2010 (Bl. 13f d.A.). Am 15.04.2015 hörten die Geschäftsführerin und der Personalleiter der Arbeitgeberin die Betriebsratssekretärin zu dem Geschehnis am 07.04.2015 an. Frau R. wurde am 16.04.2015 mit den Stellungnahmen der freigestellten Betriebsratsmitglieder konfrontiert und blieb bei ihrer Darstellung.
Mit dem am 22.04.2015 beim Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel eingegangenen und dem Betriebsrat am 24.04.2015 zugestellten Antrag begehrt die Arbeitgeberin den Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat. Sie hat dies ursprünglich mit dem Verhalten des Betriebsratsvorsitzenden im Frühjahr 2010 und am 07.04.2015 begründet. Kurze Zeit nach Zustellung der Antragsschrift intervenierte Herr T., der zuständige Tarifsekretär der Gewerkschaft verdi, bei einem Vertreter des Arbeitgeberverbandes mit dem Ziel, den Betriebsfrieden wiederherzustellen, also eine Rücknahme des Ausschließungsantrages zu erreichen.
Am 28.04.2015 war der Betriebsratsvorsitzende in der Zeit von 8:00 Uhr bis 8:30 Uhr und von 18:00 Uhr bis 20:53 Uhr vor Ort anwesend. In der Zwischenzeit hatte er eine Berufungsverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht besucht und an weiteren Besprechungen außerhalb des Klinikums teilgenommen. Diese Zwischenzeiten erfasste er nicht als Arbeitszeiten.
Am 07.05.2015 vereinbarte der Personalleiter mit der Kriminalpolizei für den 28.05.2015 eine Begehung der Betriebsratsräume. Mit E-Mail vom 27.05.2015 teilte der Personalleiter dies dem Betriebsrat mit. Da sämtliche freigestellten Betriebsratsmitglieder und auch die Sekretärin des Betriebsrats für den Besichtigungstag nicht in Bra...