Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösung des Betriebsrats wegen grober Pflichtverletzung. Bewusst unwahrer Sachvortrag in einem gerichtlichen Verfahren gegen den Arbeitgeber
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine grobe Verletzung der gesetzlichen Pflichten des Betriebsrats ist nur anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die weitere Amtsausübung des Betriebsrats untragbar erscheint. 2. Mit dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit ist es unvereinbar, in einem gerichtlichen Verfahren gegen den Arbeitgeber einen bewusst unwahren Sachvortrag zu halten oder einen objektiv falschen nicht zu korrigieren.
Normenkette
BetrVG § 23 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 24.11.2020; Aktenzeichen 3 BV 6/20) |
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragsteller zu 1-16, 18-22, 24, 25, 28 und der Beteiligten zu 30 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 24. November 2020 - 3 BV 6/20 - abgeändert:
Der im Betrieb der Beteiligten zu 30 bestehende Betriebsrat wird aufgelöst.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Pflichtverletzung.
Die Antragsteller zu 1-16, 18-22, 24, 25 und 28 sind Arbeitnehmer im Betrieb der Beteiligten zu 30 (Arbeitgeber), in dem etwa 40 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Beteiligter zu 29 ist der dort gebildete Betriebsrat.
Hinsichtlich der Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 501-502 der Akte) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge der Antragsteller zurückgewiesen; wegen der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 502-508 der Akte) verwiesen.
Dieser Beschluss wurde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller am 14. Dezember 2020 und dem des Arbeitgebers am 11. Dezember 2020 zugestellt. Dagegen haben die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller am 6. Januar 2021 und der des Arbeitgebers am 8. Januar 2021 Beschwerde eingelegt und diese jeweils mit einem am 9. Februar 2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Antragsteller rügen, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass es an einer Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Betrieb fehle, da der Betriebsrat harsch und aggressiv sowohl gegenüber der Belegschaft als auch dem Arbeitgeber auftrete und so für eine erhebliche Unruhe sorge. Im Betrieb bestünden seit Jahren eingespielte Regeln und Abläufe, die von allen Mitarbeitern für gut befunden und umgesetzt würden. Es bestehe keine Veranlassung, diese zu ändern. Dies werde aber vom Betriebsrat eingefordert. Es gehe um Weisungen des Arbeitgebers, wie beispielsweise den Abgabetermin des Monatsberichts. Nicht entscheidend sei für die Antragsteller, dass ein neuer Betriebsrat Fehlentscheidungen treffe. Was die Antragsteller erbittere, sei die Tatsache, dass sich der Betriebsrat als Gremium im Ton vergreife, die Kollegen verbal attackiere, unter Druck setze und gegen die Kollegen agiere. Ein guter Betriebsrat habe zumindest auf einer Betriebsversammlung sich die Wünsche und Sorgen der Belegschaft anzuhören und in seine Entscheidungen mit einzubinden. Die Belange der Belegschaft würden jedoch nicht ernst genommen, Rückmeldungen abgeblockt. Dass der Betriebsrat auch gegen die eigenen Kollegen agiere, zeige sich daran, dass er sich dafür stark gemacht habe, dass die Antragstellerin zu 8 ihren Job verliere, zumindest ihres Amtes als Teamleiterin enthoben werde. Den ihr vorgeworfenen Verstoß gegen das Datenschutzgesetz habe sie nicht begangen. Der Betriebsrat sei organisatorisch dem Team Nord zugeteilt und habe dort -wie erstinstanzlich vorgetragen- den Teammitgliedern und der Teamleiterin die Arbeit so erschwert, dass die Kollegen psychische Probleme bekommen und die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat verweigert haben. Der Betriebsrat habe sich aggressiv und fordernd ins Spiel gebracht und die Teammeetings gestört. Ferner habe er gleich zu Beginn seiner Amtszeit den Geschäftsführer zweimal abgemahnt. Der Antragsteller zu 18, der zugleich Betriebsratsmitglied ist, werde von den übrigen Betriebsratsmitgliedern gemobbt. Die Betriebsratssitzungen würden regelmäßig so gelegt, dass er nicht teilnehmen könne. Auch werde er beleidigt und denunziert. Als Antwort auf die vielen Rückfragen und Beschwerdemails aus der Belegschaft hinsichtlich der Betriebsratstätigkeit habe sich der Arbeitgeber veranlasst gesehen, allen Mitarbeitern seine Loyalität auszusprechen. Alle Bemühungen, mit dem Betriebsrat auf einer vernünftigen Ebene ins Gespräch zu kommen, seien gescheitert. Wenn 28 von 40 Mitarbeitern dem Betriebsrat das Misstrauen aussprechen, sei eine Vertrauensbasis nicht mehr gegeben. Dies belegten auch 2 Einträge auf der Arbeitnehmerplattform Kumunu, wo der Betriebsrat als heldenhaft betitelt, der Arbeitgeber dagegen beleidigt werde. Ferner nehme der Betriebsrat auf die betrieblichen B...