Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlung tarifgebundener und tarifungebundener Arbeitnehmer. Tarifliche Ansprüche aufgrund betrieblicher Übung. Folgen einer Gleichstellungsabrede
Leitsatz (amtlich)
Behandelt ein Arbeitgeber die nicht gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter in allen arbeitsrechtlichen Belangen genauso wie einen tarifgebundenen Mitarbeiter, hat der nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer aufgrund betrieblicher Übung einen Anspruch auf tarifliche Leistungen erworben. Dieser Anspruch umfasst jedoch nur solche Leistungen, die der Arbeitgeber aufgrund seiner Tarifgebundenheit den gewerkschaftlich organisierten Kollegen auch schuldet (Gleichstellungsabrede). Um das Verhalten des Arbeitgebers abweichend vom Regelfall als Angebot zur Einbeziehung eines bestimmten Tarifvertrages oder als Bezugnahme nur auf die jeweils geltenden Flächentarifverträge zu verstehen, bedürfte es besonderer Anhaltspunkte. Fehlt es an solchen Anhaltspunkten, führt der Abschluss eines Haussanierungstarifvertrages, der einen Anspruch auf tarifliche Sonderleistungen ausschließt, dazu, dass auch der tarifungebundene Arbeitnehmer keinen Anspruch nach dem einschlägigen Flächenmanteltarifvertrag (hier: Manteltarifvertrag der Druckindustrie für gewerbliche Arbeitnehmer) hat.
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Mönchengladbach (Entscheidung vom 13.03.2014; Aktenzeichen 3 Ca 138/14) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 13.03.2014 - 3 Ca 138/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über tarifliche Sonderleistungen.
Der Kläger ist seit dem 01.07.1988 bei der Beklagten als Druckformhersteller beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein als "Einstellungsbescheinigung" bezeichneter schriftlicher Arbeitsvertrag vom 01.07.1988 zugrunde, der auf eine Arbeitsordnung vom 01.12.1977 Bezug nimmt. Darin heißt es unter "Lohn- und Gehaltszahlung, Allgemeines":
"Die Lohn- und Gehaltszahlung wird im Rahmen der tariflichen Bestimmungen durch Betriebsvereinbarungen geregelt."
Die tarifgebundene Beklagte wandte in ihrem Betrieb stets die Vorschriften des jeweils geltenden Manteltarifvertrages für die Druckindustrie sowie die jeweiligen Lohnabkommen und Gehaltstarifverträge auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer unabhängig davon an, ob diese der tarifschließenden Gewerkschaft angehörten. Der Kläger, der nicht Gewerkschaftsmitglied ist, wird nach Tarifgruppe VI des Lohnabkommens für die Druckindustrie vergütet.
Der Kläger erhielt in der Vergangenheit wie alle anderen Arbeitnehmer die tarifliche Jahresleistung nach § 9 des Manteltarifvertrages (MTV) der Druckindustrie für gewerbliche Arbeitnehmer, zuletzt in der Fassung vom 15.07.2005, und das zusätzliche tarifliche Urlaubsgeld gemäß § 10 MTV. Voraussetzungen und Höhe der Leistungen regelt der MTV wie folgt:
"§ 9 Tarifliche Jahresleistung
I. Anspruch
1.Arbeitnehmer und Auszubildende haben Anspruch auf eine tarifliche Jahresleistung unter folgenden Voraussetzungen:
Der volle Anspruch entsteht bei einem ungekündigten Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnis, das seit dem 4. Januar bis einschließlich 31. Dezember des laufenden Fälligkeitsjahres besteht.
2.Die volle tarifliche Jahresleistung beträgt 95 % des jeweiligen zum Fälligkeitszeitpunkt gültigen monatlichen Tariflohnes bzw. der tariflichen Ausbildungsvergütung.
Dies gilt auch für Arbeitnehmer, die im Fälligkeitsjahr ihre Ausbildung beendet haben sowie bei Wechsel von Vollzeit- auf Teilzeitbeschäftigung und umgekehrt.
Die Auszahlung der Jahresleistung ist spätestens zum 31. Dezember eines jeden Jahres fällig. Frühere Auszahlungen gelten als Vorschuss.
...
§ 10
...
II.Urlaubsbezahlung
1.Die Urlaubsbezahlung besteht aus dem Durchschnittslohn (Ziff. 2) und dem zusätzlichen Urlaubsgeld (Ziff. 3)....
3.Zusätzliches Urlaubsgeld
Zum Durchschnittslohn bzw. zur Ausbildungsvergütung wird ein zusätzliches Urlaubsgeld für jeden tariflichen und gesetzlichen Urlaubstag bezahlt.
Das zusätzliche Urlaubsgeld pro Urlaubstag beträgt 50 % des vereinbarten Tagesverdienstes. Für Vollzeitbeschäftigte ergibt er sich durch Vervielfachen des vereinbarten Stundenlohnes mit dem Faktor 3,5; neue Bundesländer: 3,8."
Unter dem 24.11.2009/11.01.2010 schloss die Beklagte mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) einen Sanierungstarifvertrag, der unter anderem in § 2 einen Teilverzicht auf die tariflichen Sonderleistungen im Umfang des jeweils hälftigen Betrages für die Jahre 2009 und 2010 vorsah. Entsprechend erfolgte in diesen beiden Jahren eine Zahlung von Urlaubsgeld und tariflicher Jahresleistung in reduziertem Umfang. In den beiden Folgejahren wurden die tariflichen Leistungen wiederum entsprechend den §§ 9, 10 MTV ausgezahlt.
Am 14.06.2013 einigte sich die Beklagte mit der Gewerkschaft erneut auf den Abschluss eines Sanierungstarifvertrages, der nunmehr in § 2 den vollständigen Verzicht auf die tariflichen Sonderleistungen für die Jahre 2013 bis 2...