Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachwirkung bei Anwendung eines Tarifvertrages aufgrund betrieblicher Übung
Leitsatz (amtlich)
Gewährt der Arbeitgeber tarifliche Leistungen unabhängig von der Gewerkschaftsangehörigkeit an sämtliche Arbeitnehmer kraft betrieblicher Übung, so haben die nicht organisierten Arbeitnehmer nach Ablauf des gekündigten Tarifvertrages im Nachwirkungszeitraum des § 4 Abs. 5 TVG Anspruch auf Weitergewährung kraft betrieblicher Übung.
Normenkette
TVG § 4 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Duisburg (Urteil vom 15.05.1997; Aktenzeichen 1 Ca 662/97) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 15.05.1997 – 1 Ca 662/97 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger war bei der Beklagten seit mehr als 20 Jahren als kaufmännischer Angestellter mit einem tariflichen Grundgehalt von zuletzt 7.138,– DM brutto in der Vergütungsgruppe K 7 beschäftigt. Er ist nicht tarifgebunden.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete am 31.01.1997 durch einen gerichtlichen Vergleich vom 24.06.1996, wonach der Kläger unwiderruflich bis zum 31.01.1997 freigestellt wurde. Weiter wurde in dem Vergleich festgelegt, daß „während der Zeit der Freistellung auch das 13. Monatseinkommen zu zahlen sei”.
Die tarifgebundene Beklagte hatte seit Jahren an sämtliche Mitarbeiter ihrer D. Niederlassung unabhängig von ihrer Tarifbindung mit dem Novemberentgelt ein 13. Monatseinkommen nach dem Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens für die Angestellten des Baugewerbes vom 27.04.1990 gezahlt. Nach § 2 dieses Tarifvertrages beträgt das 13. Monatseinkommen ab 01.01.1992 100 v. H. ihres Tarifgehalts.
Nachdem dieser Tarifvertrag zum 31.10.1996 gekündigt worden war, hat die Beklagte mit den Monatsbezügen für den November 1996 an ihre Mitarbeiter ebenfalls unabhängig von ihrer Tarifbindung nur 2/3 des 13. Monatseinkommens gezahlt. An den Kläger zahlte sie 4.759,– DM brutto. Mit der vorliegenden Klage begehrt er Zahlung des restlichen Drittels in Höhe von 2.379,– DM brutto.
Er stützt sein Klagebegehren in erster Linie auf das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung und hat hierzu vorgetragen:
Er habe unstreitig über Jahre hinweg ein 13. Monatsgehalt als Weihnachtsgeld erhalten. Zu keiner Zeit sei ihm hierbei verdeutlicht worden, er erhielte das Weihnachtsgeld nur unter dem Vorbehalt der Geltung des Tarifvertrages ohne Nachwirkungsfristen. Einen solchen Vorbehalt hätte die Beklagte erklären müssen, was indessen nicht geschehen sei. Da die Beklagte bei der Gewährung von tariflichen Leistungen niemals zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern unterschieden habe, habe der Kläger für den Nachwirkungszeitraum des § 4 Abs. 5 TVG einen Anspruch auf Gewährung der Leistungen nach dem Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens für die Angestellten des Baugewerbes, solange für die Gewerkschaftsmitglieder die Nachwirkung gelte.
Im übrigen habe er zur Sicherung und nochmaligen Feststellung seiner Ansprüche in den Vergleich vom 24.06.1996 die Verpflichtung der Beklagten aufnehmen lassen, daß auch das 13. Monatseinkommen zu zahlen sei. Von einer Erlaubnis oder einem Vorbehalt, dieses 13. Monatseinkommen nachträglich zu mindern, sei in diesem Vergleich nicht die Rede.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.379,– DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit dem 07.02.1997 zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auf ein restliches tarifliches 13. Monatseinkommen in Höhe von 2.379,– DM brutto nicht zu.
Nachdem der einschlägige Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens für die Angestellten des Baugewerbes vom 27.04.1990 zum 31.10.1996 wirksam gekündigt worden sei, habe diese Kündigung die Entstehung eines tariflichen Anspruchs per 30.11.1996 (Stichtag) verhindert.
Dem Kläger komme insoweit auch eine betriebliche Übung nicht zugute. Zwar bestehe in der Niederlassung D. der Beklagten die Praxis, alle Tarifverträge anzuwenden und insoweit nicht zwischen organisierten und nicht organisierten Arbeitnehmern zu unterscheiden. Von dieser Übung sei auch der Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens erfaßt worden, allerdings nur, solange er gegolten habe. Was die Anwendung nicht mehr geltender (im Verhältnis zu organisierten Arbeitnehmern gegebenenfalls nachwirkender) Tarifverträge betreffe, existiere keine Übung, also auch nicht bezüglich des genannten Tarifvertrages.
Auch sei ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gegeben. Die Beklagte habe nämlich in den altert Bundesländern einheitlich allen Arbeitnehmern ein 13. Monatseinkommen in Höhe von 2/3 gewährt, ohne zwischen tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern zu unterscheiden. Aus der bloßen Tatsache, daß die Beklagte in Einzelfällen zur Nachzahlung gemäß § 4 Abs. 5 TVG verurteilt werden könne, könne der Kläger z...